Die Euro-Geldbombe: Die Politik weiß schon, was die Wähler nicht einmal ahnen
„Was ist die Gewalt der Straße gegen die Gewalt der Zinsen?“ – unter diesem Titel hat das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL (46/2012) gerade einen bemerkenswerten Artikel von Cordt Schnibben veröffentlicht, der schon in „Die vierte Macht“ schonungslos vom Leder gezogen hatte. Hier ein Auszug über ein Gespräch mit ihm vor etwa einem Jahr, seitdem sich nicht allzu viel geändert zu haben scheint:
Ich traf Cordt Schnibben in dem neuen Verlagsgebäude des Spiegel in der Hafencity. Der Spiegel war gerade mit der Geschichte „Die Geldbombe – Wie aus einer großen Idee eine Gefahr für Europa werden konnte” erschienen, die unter Leitung Schnibbens zustande kam und in der die Hintergründe zum Euro-Desaster erklärt werden. Ein starkes Stück, ohne Zweifel. Noch stärker aber fand ich, was mir Schnibben im persönlichen Gespräch anvertraute. Hier einige wenige Sätze, die ich direkt vom Tonband zitiere: “Wenn das Buch erscheint, dann wird dem Leser das, was wir hier bereden, als vollkommen überholt erscheinen. Ich lebe im Moment in dem Gefühl, dass in den nächsten drei, vier Monaten in Europa Sachen passieren werden, die meine Vorstellungskraft übersteigen. Davor muss man keine Angst haben, das muss kein Bürgerkrieg sein. Journalisten lernen zur Zeit in einer Geschwindigkeit, die dazu führt, dass sie Dinge, die sie vor kurzem noch nicht zu denken gewagt hätten, plötzlich denken müssen. Die Eurogeschichte haben wir mit zwölf Kollegen recherchiert. Wir haben mit Insidern wie Kenneth Rogoff gesprochen, den früheren Chefökonom des IWF, mit griechischen Politikern, mit Leuten aus Brüssel und Berlin, mit Hans Eichel, Peer Steinbrück usw. Wenn du die am Rande des Gesprächs, also nicht offiziell, gefragt hast: Wie glauben Sie denn, dass es weiter geht? Dann hast du in einen Abgrund von Ratlosigkeit geblickt. Bei allen. Bei allen.” Wie heißt es in der Spiegel-Geschichte? “Europas Politiker haben sich und ihre Völker in eine Lage manövriert, die manchen von ihnen mehr Angst macht als ihren Wählern – weil die Politiker schon wissen, was die Wähler noch nicht einmal ahnen.”
Aus » „Die vierte Macht“, Hoffmann und Campe Verlag.