Teahupoo - Wenn die Welle im Meer versinkt
Wir waren da in Teahupoo, dem Fischerdörfchen am südwestlichen Zipfel Tahiti-Itis.
Es war ein Ziel unserer Recherche-Reise für „Das Tahiti-Projekt“, den ersten Roman der Maeva-Trilogie. Wir haben sie gesehen und bewundert, die Surfkünstler, die nach Tahiti gekommen waren, um die spektakulärste Welle der Welt zu reiten, die sich vor dem Riff im Pazifik türmt und die den Ort zum Sehnsuchtsort gemacht hat. Zumindest für diejenigen, denen Bretter und Brandung alles bedeuten. Seit 1999 messen sich in Teahupoo die Besten der Besten miteinander. Die „Billabong Competition“ ist für Profi-Surfer so bedeutsam, weil die anrollenden Wassermassen bereits unter dem Sea Level gebrochen werden und sich dadurch extrem in die Höhe türmen.
Seit jedoch bekannt ist, dass Paris die Olympischen Sommerspiele 2024 ausrichten wird, ist es vorbei mit dem Surf-Frieden auf Tahiti. Die Insel gehört zu Französisch-Polynesien und deshalb kamen die Planer auf die Idee, die Surfwettbewerbe 15 700 Kilometer entfernt vom eigentlichen Olympia-Schauplatz in der Südsee stattfinden zu lassen. Bisher diente ein simples Holzgerüst den Punktrichtern in der Bucht als Richterturm. Allerdings war dieses in den hohen Wellen schon des öfteren umgekippt. Eine solche Peinlichkeit wollte sich das Internationale Olympische Komitee unbedingt ersparen. Und so entschied man sich für den Bau eines neuen dreistöckigen Turms aus Aluminium, in dem klimatisierte Technikräume eingerichtet werden sollen. Die Stromversorgung, so die Planer, wird über ein noch zu verlegendes Unterseekabel garantiert. Außerdem ist eine Toilette mit eigenem Entwässerungssystem vorgesehen. Der Betonsockel für den Turm müsste im Korallenriff versenkt werden.
So weit, so schlecht. Die Tahitianer haben den Braten inzwischen gerochen, mit dem eine Umweltzerstörung einher geht, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Inzwischen haben fast 200 000 Menschen aus aller Welt eine Petition gegen den Turmbau unterschrieben. Hunderte hatten sich mehrmals vor Ort zu einem Protestzug zusammen gefunden: Bauern, Fischer, Surfer, junge Menschen und alte. „Land der Götter“ stand auf den Plakaten, die sie in die Höhe hielten. Land der Götter, und nicht des IOC.
Der tahitianische Spitzensurfer Matahi Drollet warnt vor den unabsehbaren Folgen für das Ökosystem in der Lagune. „Diese neue Konstruktion wird einen großen Teil des Riffs zerstören,“ postete er auf Instagram. Durch den Algenabfall infolge der Baumaßnahmen könne sich die Ciguatera ausbreiten, eine Fischvergiftung, die für die vom Fischfang lebenden Bewohner existenzbedrohend wäre. Im schlimmsten Fall, so mutmaßen die Kritiker, würde sich die Welle extrem verändern oder ganz verschwinden, was das Ende des Surfpadieses Teahupoo bedeutete.
All das nimmt das IOC für ein viertägiges Spektakel in Kauf, das schon wenige Tage danach niemanden mehr interessiert. Die Ignoranz gegenüber der Natur und den Menschen vor Ort ist an Arroganz einmal mehr nicht zu überbieten.
https://www.geo.de/natur/olympia-auf-tahiti–wie-surfer-um-ihr-paradies-kaempfen-34357840.html
Letzte Neuigkeiten vom 24. 2. 2024 von Florian Meyer für Deutsche Welle
Umweltschützer erfolgreich? Ruhe im Korallenriff?
Als Reaktion auf die Kritik werden nun für den Wettbewerb größtenteils bestehende Gebäude genutzt. Die Athleten sollen auf einem in der Nähe ankernden Kreuzfahrtschiff untergebracht werden. Die Größe und Beschaffenheit des umstrittenen Kampfrichterturms wurde zurückgeschraubt. Die Eingriffe in das Riff sollen möglichst klein gehalten werden.
https://www.dw.com/de/teahupoo-olympia-im-surferparadies/g-68307462