Hochkonjunktur für Wendehälse. Gut so!
Wendehälse in der Politik haben offensichtlich Hochkonjunktur. Nach Angela Merkels überraschendem Ausstieg aus der Kernenergie, macht sich jetzt sogar Russlands Präsident Medwedew Gedanken über die Zukunft.
Wie die Nachrichtenagentur AFP meldet, hat Medwedew die Industrie seines Landes dazu aufgerufen, sich an der Beseitigung von rund 30 Milliarden (!!!) Tonnen Giftmüll zu beteiligen. Die größtenteils aus der Sowjetzeit stammenden, teilweise aber auch später angehäuften Abfälle verursachten „zahlreiche Umweltprobleme“, sagte Medwedew in Dserschinsk. In der westrussischen Industriestadt, die zu den schmutzigsten der Erde zählt, hatte die Sowjetunion im großen Stil Chemiewaffen produziert. Das Ausmaß der Umweltkatastrophe in der Region sei erheblich, gestand der Präsident ein. Bei einem Treffen mit hochrangigen Wirtschaftsführern rief er dazu auf, sich beim Umweltschutz ein Beispiel an Nachbarstaaten zu nehmen. Das Engagement für die Umwelt sei „nicht allzu beschwerlich“ und könne „in manchen Fällen Vorteile mit sich bringen“.
Wenige Tage zuvor hatte Medwedew bei einem Treffen in Moskau russische Umweltaktivisten für ihren „sehr schwierigen und anspruchsvollen“ Einsatz gelobt. Das ist erstaunlich, denn Umweltschützer sind in Russland häufig Repressalien ausgesetzt, weil ihr Engagement vielen Behörden ein Dorn im Auge ist.
Und jetzt das Unfassbare: Dimitri Medwedew hat die Regierung wegen Verschleppung bei der Vorbereitung von Unterlagen im Bereich der Umweltsicherheit gerügt. „Das Gros des normativen Materials, das vorbereitet werden sollte, ist immer noch nicht fertig“, sagte der Prsident am Donnerstag in einer Sitzung des Staatsrats zum Thema Umwelt. Daran sei unter anderem auch die Regierung schuld, die diese Dokumente der Staatsduma (Unterhaus des russischen Parlaments) hätte vorlegen müssen. Dass diese Arbeit so langsam vorankomme, sei auf die mangelnde Kultur in Russland im Bereich der Ökologie im Vergleich zu den europäischen Staaten zurückzuführen.
Einmal in Fahrt gekommen, reichte der Kreml-Chef sogar den Fukushima-Opfern die Hand. Er bot den aus ihrer Heimat vertriebenen Japanern an, nach Sibirien umzusiedeln. Sein Land habe Japan auch Plätze für Verletzte in seinen Kliniken angeboten. Auch japanische Kinder könnten zur Behandlung aufgenommen werden. Ganz ohne Hintergedanken ist Medwedews Vorschlag allerdings nicht. Der Nachrichtenagentur Interfax vertraute der russische Präsident an: „Wir sollten gegebenenfalls darüber nachdenken, in den dünn besiedelten Gebieten Sibiriens einen Teil des Arbeitspotenzials unseres Nachbarn zu nutzen .“
Aha … Aber immerhin. Meine vielbelächelte These, dass es die heutigen Verweigerer der ökologischen Wende sein werden, die am Ende den radikalen Wandel einleiten, scheint sich zu bestätigen. Er wird ihnen von der röchelnden Natur aufgezwungen. Und dass Wendehälse nach dem Motto verfahren „Was schert mich mein Geschwätz von gestern?“ ist ja hinreichend bekannt. In diesem Fall ist es wohl gut so, wenn vermutlich auch zu spät.