Klima killen als Statussymbol einer Parallelgesellschaft
„Es ist albern, Privatjets für die Klimaverschmutzung verantwortlich zu machen.“
„Verzicht ist für mich kein Weg. Wir wollen doch nicht zurück in die Steinzeit.“
„Ich will mir auch nicht anhören, dass ich mich einschränken soll.“
„Ich habe zum Glück kein schlechtes Gewissen dabei. Ich bin ein großer Komfort-Fan.“
„Ich glaube nicht, dass ich mit meinem Verhalten einen Ausschlag weder in die eine noch in die andere Richtung mache.“
„Fuck You #lastgen.“
„Das was ich tue schadet niemandem auf der Welt. Ich, wenn ich von a nach b fliege, tue niemandem etwas Schlechtes damit.“
„Es ist albern, überhaupt Privatjets für die Klimaverschmutzung verantwortlich zu machen, weil der prozentuale Anteil am Gesamtbudget so unglaublich verschwindend ist.“
„Viele ihrer Argumente sind maßlos übertrieben. Ich glaube überhaupt nicht daran.“
Nein, das sind keine Zitate vom letzten Bundesparteitag der FDP und auch keine Ausschnitte aus der heute-show. Das sind Gegenpositionen des Verlegers Julien Backhaus zur Bewegung Last Generation aus den ZDF-Produktionen
Killen die Reichen das Klima? vom 2.5.23:
https://www.zdf.de/nachrichten/zdfheute-live/letzte-generation-klima-millionaer-video-100.html
und Soll ich fürs Klima radikaler werden? vom 29.4.23:
https://www.zdf.de/gesellschaft/soll-ich/soll-ich-klima-schuetzen-100.html
Die zentralen Aussagen wurden schließlich auch im ZDF-Hauptprogramm im Frühstücksmagazin Volle Kanne vom 12.5.23 (Beitrag ab 40 Minuten) für das breite Publikum noch einmal wiederholt:
https://www.zdf.de/gesellschaft/volle-kanne/volle-kanne–ben-blasovic-vom-12-mai-2023-100.html
Harte Fakten sind keine Glaubensfrage. Hier scheint jemand nicht nur alle statistischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ignorieren, sondern es sich in seiner von Statussymbolen geprägten Parallelwelt bequem zu machen. Man muss anscheinend nur eine Gesamtschuld auf möglichst kleine Einheiten verteilen und schon ist das Problem wie von Zauberhand verschwunden. Sehen wir hier ein weiteres Mal die Auswirkung der deutschen Bildungsmisere? In weiten Teilen der Öffentlichkeit ist dieses unsinnige Wegrechnen auch schon angekommen, indem auf den geringen 2%-Anteil Deutschlands an der weltweiten Klimagasemission verwiesen wird. Backhaus treibt diesen Selbstbetrug mit der Bezugnahme auf die Einzelperson Julien Backhaus auf die Spitze. Dass er sich seines unzulässigen Taschenspielertricks durchaus bewusst ist, zeigt die Antwort auf die Frage zu seiner Verantwortung für folgende Generationen:
„Nach mir die Sintflut. Ich habe keine Kinder.“
Zu den Fakten: diese Zahlen sind bekannt bzw. für die Allgemeinheit zugänglich.
2022 verursachten ca. 58.000 Privatjetflüge 208.600 Tonnen CO2, was dem durchschnittlichen jährlichen Ausstoß von 18.460 Personen entspricht, also fast der Einwohnerzahl von Backhaus‘ Heimatstadt Rotenburg(Wümme). Dazu kommen noch Superyachten, Luxusvillen und weitere klimaschädliche Statussymbole. Selbst die immense Anzahl der Kraftfahrzeuge hat sich noch einmal erhöht. Anfang 2023 waren es bei 84,5 Millionen Einwohnern mit 60 Millionen KFZ 0,8% mehr als im Vorjahr. Der unvernünftig hohe Anteil der SUVs lässt sich nur mit deren Aufgabe als Statussymbol erklären.
Aus einem Bericht der Organisation Oxfam, anlässlich der UN-Weltklimakonferenz in Scharm El-Scheich veröffentlicht, geht hervor: 125 Milliardäre verantworten jährlich 393 Millionen Tonnen an Treibhausgasen, wenn man ihre Investitionen mit berücksichtigt. Das ist so viel wie ganz Frankreich. Jeder/jede von ihnen ist im Durchschnitt für so viele Emissionen verantwortlich, wie eine Million Menschen aus den ärmeren 90% der Weltbevölkerung.
Quelle: https://www.oxfam.de/system/files/documents/bn-carbon-billlionaires-071122-en_embargoed.pdf
Ganz oben auf der Liste – weit vor allen Anderen – liegt der russische Oligarch Roman Abramovich, der alleine einen privaten CO2 Fußabdruck (also ohne Geschäftstätigkeit) von 22.440 Tonnen pro Jahr hat. Dieser ist hauptsächlich auf seine Superyachten zurückzuführen. Die Liste zeigt, dass hohe Emissionen viel mit dem Lebensstil zu tun haben.
Quelle: https://impakter.com/billionaries-rich-carbon-emissions-ineqauility
The World Wealth and Income Database (WID) befasst sich in ihrem World Inequality Report auch mit dem Ausstoß von Treibhausgasen.
Deutschland ist einer der höchsten CO2-Emittenten in der EU. Der durchschnittliche Ausstoß in der EU liegt bei 9,5 t CO2/Kopf, in Deutschland bei 11,3 Tonnen.
Die durchschnittlichen CO2-Emissionen verschiedener Gruppen der deutschen Bevölkerung im Jahr 2019:
Durchschnittlicher Treibhausgas-Fußabdruck (Tonnen CO2/Kopf)
Gesamtbevölkerung 11,3
Top 1 % 117,8
Top 10 % 34,1
Mittel 40 % 12,2
Untere 50 % 5,9
Die oberen 10% emittieren im Durchschnitt also fast sechsmal so viel wie die unteren 50%.
Deutschland hat sich verpflichtet, seine territorialen Emissionen bis 2030 um 55% gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Dies würde bedeuten, dass die durchschnittlichen Pro-Kopf-Emissionen etwa bei 6,5t liegen. Das wäre ungefähr das aktuelle Niveau der ärmeren Hälfte der Bevölkerung, die damit quasi als Einzige im Plan liegen.
Quellen: https://wir2022.wid.world/www-site/uploads/2023/03/D_FINAL_WIL_COUNTRY_SHEETS_2303.pdf
https://wir2022.wid.world/methodology
Weltweit sind die Unterschiede wegen der weit verbreiteten Armut noch gravierender. Die Emissionen verursacht durch die unteren 90% der Weltbevölkerung sind nur unwesentlich größer (52% der Emissionen) als diejenigen generiert von den oberen 10%. Die oberste 1%-Gruppe verursacht mehr als ein Sechstel der weltweiten Emissionen, wobei der Pro-Kopf-Wert in 2019 mehr als 16-mal über dem globalen Durchschnitt lag. Die CO2-Emissionen des oberen 1% übersteigen bei weitem die Emissionen der gesamten unteren Hälfte der Weltbevölkerung – oder drastischer gesagt, die Konsum- und Investitionsentscheidungen eines Bruchteils der Bevölkerung verursachen deutlich mehr ökologische Schäden als die gesamte untere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen.
Quelle: https://wid.world/wp-content/uploads/2023/01/CBV2023-ClimateInequalityReport-3.pdf
Eine Kausalkette zwischen den Emissionen der Reichen, deren bevorzugter politischer Vertretung und wiederum deren Ambitionen etwas zu verändern ist offensichtlich.
Der UN Generalsekretär Antonio Guterres brachte es auf der UN-Generalversammlung im September 2022 wieder einmal in seiner unverwechselbar klaren Art auf den Punkt:
„Die Klimakrise ist ein Fallbeispiel für moralische und wirtschaftliche Ungerechtigkeit.“
Rudolf Prott