Ewig rüstet der Mensch auf
Weltgemeinschaft. Was für ein schöner Begriff. Wir alle. Acht Milliarden. Gemeinsam auf diesem blau funkelnden Lebenstropfen namens Erde, im schwarzen Ozean des Nichts. Ein Wunder. Und ein Glück.
Weltgemeinschaft. Was für ein hohler Begriff. 58 Kriege toben derzeit auf diesem Planeten. Und die neuen Zahlen des Stockholm International Peace Research Institute zu den weltweiten Rüstungsausgaben sind verheerend. 2,4 Billionen Dollar gaben die Länder vergangenes Jahr fürs Militär aus. 2400 Milliarden. 200 Milliarden mehr als im Jahr davor. Und da waren es 130 Milliarden mehr als 2021, und so weiter jedes Jahr, als sei diese Aufrüstungsspirale ein Naturgesetz. Ist sie nicht: Zwischen 1990 und 2001 gingen die Ausgaben zurück, Jahr für Jahr. Es gab halb so viele Kriege, das Arsenal an Nuklearwaffen schrumpfte von 75.000 auf ein Sechstel dieser Zahl. Es wurden mehr Friedensvereinbarungen getroffen als je zuvor, die länger hielten als je zuvor.
Und jetzt, wo eigentlich jeder Dollar und jeder Euro gebraucht würde, um den Klimawandel wenigstens so weit abzumildern, dass die Erde die Heimat aller bleiben kann? Wird aufgerüstet mit so viel Geld wie nie zuvor. Versteht man die Forderung der Amerikaner, dass die Nato-Partner zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die Rüstung stecken sollen? Natürlich. Müssen sich mitteleuropäische Länder wie Polen, Litauen, Estland wappnen dürfen gegen eine mögliche russische Aggression? Wie denn nicht! Taiwan und Japan gegen Chinas Säbelrasseln? Selbstverständlich! Aber kann es langfristig eine Lösung sein, dass die ganze Welt um die Wette Waffen anhäuft? Weltgemeinschaft. Vielleicht meint das ja doch etwas anderes. Wir sind gemein. Zueinander und zu diesem Planeten, der uns so geduldig durchs All trägt, Ihm kann´s egal sein, er wird sich von dieser menschlichen Episode erholen.
Aber die Menschen? Die Weltgemeinschaft? Wo sollen sie hin?
Alex Rühle – SZ vom 24. 4. 2024
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