Mit dem Rücken zur Wand?
Die letzten Jahre haben viele von uns auf eine harte Probe gestellt: angefangen mit der Finanzkrise ab 2008, der Flüchtlingskrise aufgrund der Kriege im Mittleren Osten, dem Trumpismus, dann Corona und jetzt der russische Überfall auf die Ukraine.
Wenn man sich vor Augen führt, welche Spuren diese Ereignisse bei den Menschen in den verschiedensten Regionen der Welt hinterlassen haben, dann könnte einem Angst und Bange werden.
Die Demokratie, wie wir sie kennen und uns wünschen, steckt in einer weltweiten Krise. Diktatoren, rechtsradikale Nationalisten, demagogische Selbstdarsteller, korrupte Geschäftemacher und machtbesessene menschenverachtende Autokraten reißen sich Länder unter den Nagel und finden überraschend viel Zuspruch.
Die Demokratie ist in einem erbärmlichen Zustand.
- in den USA wurde aus einer einst respektablen konservativen Partei eine radikale Sekte mit zwei goldenen Kälbern: Trump und die heiligen Waffen.
- Großbritannien wurde von einem realitätsfernen Polit-Clown aus der für das Land eigentlich wichtigen Europäischen Gemeinschaft gelockt ohne einen neuen Nordirland-Konflikt angemessen zu berücksichtigen.
- in Frankreich entschieden sich zwei von fünf Wählern für eine rechtsradikale Antieuropäerin mit einem Finanzier aus Moskau.
- in Russland zeigt ein rücksichtsloser Massenmörder im Kolonialistenstil, dass er nach der Ausschaltung aller Kritiker die Welt mit absurden Begründungen und reichen Rohstoffen im Rücken wie Marionetten tanzen lassen will.
- in China wird jeder Ansatz von Widerspruch oder freier Meinungsäußerung von Putins geistigem Bruder gnadenlos mit Inhaftierung, Folterung, Zwangssterilisation und allen anderen vorstellbaren Aktionen bestraft, während sich der Alleinherrscher immer offensichtlicher auf die Eroberung kleinerer Nachbarn vorbereitet.
- Brasilien muss zusehen, wie ein Präsident die Lebensgrundlagen von Generationen zur Ausbeutung an seine Freunde verscherbelt.
- die Türkei ist dank Erdogan weiter von der EU entfernt denn je.
- der nationalistischste Präsident in der Geschichte Indiens, der angeblich größten Demokratie der Welt, kann sich nicht einmal dazu durchringen, einen Angriffskrieg zu verurteilen. Wenn man sich von den Waffensystemen Russlands abhängig gemacht hat, dann wird das Wegschauen zum politischen Prinzip.
- in Ungarn, Polen, Tschechien, der Slowakei und in Malta sind es zumindest einzelne Personen oder Parteien, die die Regierung eher als Selbstbedienungsladen oder Vehikel für persönliche Machtansprüche verstehen.
Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für die Bewältigung globaler Krisen, zumal ein so bedeutender Einschnitt wie der Putin-Krieg alle anderen Probleme an den Rand drängt. Man denke nur an den Klimawandel und die Ernährungslage. Doch jede Krise in der Geschichte der Menschheit hat immer auch Chancen eröffnet.
Wann, wenn nicht jetzt, kann der Ausstieg aus fossilen Energieträgern endlich konsequenter in Angriff genommen werden? Wann seit Ende des zweiten Weltkrieges mussten Menschen die Folgen eines Krieges so drastisch erkennen? Zumindest in Deutschland sind die Wahlergebnisse der Rechtsradikalen rückläufig.
Albert Einstein sagte einmal: Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher. Beim Universum bestätigte sich sein Zweifel. Wie könnte sonst expandieren, was vorher schon unendlich war? Hoffen wir, dass beim anderen Punkt auch noch neue positive Erkenntnisse auf uns warten.
Autor: Rudolf Prott