Klima & Umwelt: Erbitterter Kampf um den Endsieg
Unter der Überschrift „Wir brauchen einen Sieg“ berichtete der Spiegel vom Frust jener jungen Menschen, die in den letzten Jahren gegen ein System mobil gemacht haben, das sich einen Dreck um ihre Zukunft kümmert. Selbst die anfangs so erfolgreiche Bewegung „Fridays for Future“ ist im Sumpf von Corona und Ukraine-Krieg aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden. Der Widerstand aber glimmt weiter, wenn auch weitgehend im Verborgenen. Die Namen, die sich die Aktivisten der letzten Stunde gegeben haben, spricht Bände: „Ende Gelände“ heißt eine Gruppierung und „Die letzte Generation“ eine andere. Bereits die Namen lassen darauf schließen, dass man sich angesichts des ungehinderten Raubbaus an der Natur und dem fortschreitenden Klimakollaps mit friedlichen Protesten nicht mehr zufrieden geben will. In der Szene werden zunehmend Stimmen laut, die zu einer radikalen Gegenwehr aufrufen. Vermutlich wird es nicht mehr lange dauern, bis wir auf Verhältnisse zusteuern, die Dirk C. Fleck im dritten Band seiner Maeva-Trilogie bereits ausführlich beschrieben hat. Hier ein Auszug aus dem Roman FEUER AM FUSS, der die Begegnung zwischen dem Journalisten Cording und dem Anführer der Öko-Guerilla 43 a.C. schildert:
Cording betrat den rostigen Eisenbahnwagon. Ein Mann erhob sich von der zerschlissenen Sitzbank. Er trug eine weiße, mit goldenen Ornamenten verzierte Maske, wie sie einst im venezianischen Karneval benutzt wurde. Ein roter Zylinder schmückte seinen Kopf.
„Schön, dass Sie gekommen sind,“ sagte der Mann, der sich ihm als Daemon vorstellte. „Nehmen Sie Platz.“
Cording setzte sich. Daemon nahm den Zylinder ab und verbeugte sich, noch ganz der venezianische Edelmann. „Ich bin ein großer Fan von Ihnen,“ gestand er, „ich habe Ihre Reportagen immer mit größtem Interesse gelesen.“ Seine Worte klangen extrem gedämpft unter der Maske, sodass sich Cording fragte, ob sein Aufnahmegerät sie in vollem Umfang erfassen und in verständliche, lesbare Sätze übertragen konnte. Daemon schien seine Gedanken zu erraten, jedenfalls setzte er die Maske ab und lächelte seinem Gegenüber freundlich zu. „Ich denke, dass wir diese Maskerade nicht nötig haben,“ sagte er, „ich vertraue Ihnen.“
„Ihre Gruppe nennt sich „43 a.C.“, sagte Cording, „was hat der Name zu bedeuten?“
„A.C. ist die lateinische Bezeichnung für vor Christi: ante Christum, vor dem geborenen Christus.“
„Das ist mir bekannt. Aber die Jahreszahl. Wie kommen Sie auf die Jahreszahl?“
„Sie bezieht sich auf die römische Proskription. Sagt Ihnen das was?“
„Nein.“
„43 a.C. hatte die fortdauernde Expansionspolitik des Reiches den Staatshaushalt endgültig gesprengt. Durch die erdrückende Schuldenlast steuerte das Imperium an den Rand des Untergangs. Ein Jahr, nachdem Julius Caesar ermordet worden war, ersann Gaius Octavius eine Lösung des Dilemmas. Da ein freiwilliger Schuldenverzicht eine langwierige und komplizierte Prozedur war, griff er zum Mittel der Proskription, der römischen Variante der Vogelfreiheit, die es jedermann, auch den Sklaven, erlaubte, die in öffentlichen Aushängen benannten Personen straffrei und gegen Belohnung zu töten. Stolze Senatoren, die einst Konsuln gewesen waren und über unermessliche Provinzen geherrscht hatten, verkleideten sich als Sklaven oder als Latrinenputzer. Sie flehten ihre Bediensteten an, sie nicht zu verraten und versteckten sich in aufgelassenen Gräbern und in Kloaken. Die Gesamtzahl der Ermordeten belief sich auf 2300 Personen, das berühmteste Opfer war Marcus Tullius Cicero ein römischer Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph, der berühmteste Redner Roms. Ich werde ihnen nachher eine Liste von hundert Personen übergeben, die sich ab heute ihres Lebens nicht mehr sicher sein können. CEOs, Politiker, Wissenschaftler, Medienleute. Sie werden in genau der Reihenfolge getötet, wie sie auf der Liste vermerkt sind.“
Daemon strich sich eine Locke aus der Stirn: „Die Erde stirbt nicht,“ sagte er, „sie wird gemeuchelt. Und die Leute, die sie abschlachten, haben Namen und Adressen. Wir werden und wir müssen unter den Betreibern des Ökozids ein Klima der Angst erzeugen, das dem im alten Rom um nichts nachsteht. Was uns anfangs vereint hat, war die gemeinsame Ohnmacht. Wussten Sie, dass sich zweidrittel des weltweiten Vermögens in den Händen von 500 Oligarchen befinden? Diese Leute werden ihres Lebens nicht mehr glücklich, das garantiere ich Ihnen. Wir sind Aktivisten. Wir sind Computer Nerds. Wir sind Ingenieure. Wir sind Studenten. Wir sind Bauarbeiter. Wir sind Gentechniker. Wir sind ehemalige Navy-SEALs. Wir sind Sekretärinnen. Wir sind Dolmetscher. Wir sind Saboteure. Wir sind Farmer. Wir sind Anwältinnen und Krankenschwestern. Wir sind bereit, uns zu wehren. Wir sind Journalisten, nicht wahr…?“
Daemon blickte Cording so durchdringend an, als wollte er ihm sein Credo ins Herz pflanzen. „Unser Land ist alles,“ fuhr er leise fort, „es ist die Quelle allen Lebens. Aber die Wahrheit ist, dass unser Land zerstört wird. Das alleinige Maß, mit dem die, die nach uns kommen, uns beurteilen werden, ist die Gesundheit der Erde. Sie ist das Maß, mit dem wir jede einzelne unserer Aktionen bewerten müssen.“ Daemon drehte an der Krempe seines Zylinders. „Was mich am meisten nervt,“ sagte er, „ist, dass nahezu alles, was wir machen, defensiv ist. Dass wir immer nur zu verhindern suchen. So unerlässlich diese Arbeit auch ist, sie reicht nicht aus. Wir müssen anfangen, die Zivilisation zurückzutreiben, das Land von den Zivilisierten zurückzuerobern, damit es sich erholen kann. Wir müssen die Straßen heraus reißen, die den Urwald durchschneiden, wir müssen die Staudämme beseitigen, wir müssen Ackerland in Wälder, Marschen und Wiesen zurückverwandeln. Dabei sollte uns eines immer bewusst sein: wir leben auf besetztem Territorium und natürlich werden die Herrschenden ihre Besatzung bis zum bitteren Ende aufrecht zu erhalten versuchen. Im Grunde ist es ganz einfach: wir befinden uns im Krieg… Wir dürfen die Herrschenden nicht weiter ungestraft davon kommen lassen. Wir müssen ihre Fähigkeit, derart umfassenden Schaden anzurichten, im Kern ersticken. Haben Sie vor dem Hintergrund des globalen Holocaust etwas Besseres zu tun, Mr. Cording? Dann erklären Sie mir bitte, was es ist.“
Soweit die Fiktion, die angesichts der dramatischen Umstände durchaus Wirklichkeit werden könnte. „Zu unseren möglichen Aktionsformen kann zählen,“ sagte ein Sprecher von „Ende Gelände“ gegenüber dem Spiegel, dass wir klimaschädliche Infrastruktur gezielt außer Betriebe nehmen, und zwar so, dass sich der Wiederaufbau nicht mehr lohnt.“ Sieht so aus, als sei der Sekundenkleber am Pipelineventil nicht mehr genug.