Warum die Klimakatastrophe wieder einmal nicht stattfindet
Der Hoffmann und Campe Verlag bittet am 6. Februar zu einer Pressekonferenz, um ein Buch vorzustellen, von deren Sorte es zwar schon einige gibt, die aber mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren Konjunktur haben werden. Titel des Buches: „Die kalte Sonne. Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet“, geschrieben von Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning.
Moderieren wird diese Veranstaltung der umtriebige Stefan Aust, der als Chefredakteur des Spiegel einst dafür sorgte, dass ein Report über Windkraft, aus dem man durchaus den Schluss hätte ziehen können, dass Windkraft Sinn macht, gegen den Willen des Autors Harald Schumann in eine Geschichte umgeschrieben wurde, die eindeutig gegen diese Energieform Stellung bezog.
Fritz Vahrenholt kenne ich recht gut, ich habe Hamburgs ehemaligen Umweltsenator für die Welt porträtiert, als er im Vorstand der Deutschen Shell saß. Sein Co-Autor Sebastian Lüning ist seit 2007 als Afrika-Experte beim Öl- und Gasunternehmen RWE Dea beschäftigt. Diese beiden Herren behaupten nun folgendes: Entgegen aller Prognosen ist die Erderwärmung seit über zehn Jahren zum Stillstand gekommen. Selbst bei steigenden CO2-Emissionen wird die Erwärmung in diesem Jahrhundert 2 °C nicht überschreiten. Die Erwärmungswirkung von CO2 ist überschätzt worden. Neueste Erkenntnisse zeigen, dass Ozeanzyklen und die Sonne, die kürzlich in eine längerfristige strahlungsarme Phase eingetreten ist, einen größeren Beitrag zum Klimageschehen leisten als bisher angenommen. Ich möchte hier nicht darüber streiten, ob die Behauptungen richtig sind – wer bin ich, das zu beurteilen? Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass wir uns, was den Klimawandel angeht, inmitten eines Wissenschaftsstreits befinden. Und den Wissenschaftsstreit gibt es solange, wie es die Wissenschaft gibt. Wissenschaftlich lässt sich alles beweisen, notfalls auch, dass die Sonne eine Scheibe ist, eine kalte dazu.
Wenn ich davon sprach, dass es solche Bücher wie die von Vahrenholt und Lüning in Zukunft häufiger geben wird, dann deshalb, weil das Bedürfnis nach Beschwichtigung in unserer Gesellschaft stark verankert ist. Wir würden uns angesichts der düsteren Aussichten nur zu gerne die Mitschuld daran nehmen und wer könnte uns besser Absolution erteilen als die Wissenschaft. Im Verein mit den Medien. Der BILD-Zeitung war das erscheinen der „Kalten Sonne“ eine dreiteilige Serie wert. Titel: „DIE CO2-LÜGE. Stoppt den Wahnwitz mit Solar- und Windkraft!“ Spiegel-Online wiegelt ebenfalls in einem ellenlangen Artikel ab und es wird sicher nicht lange dauern, bis die Autoren der „Kalten Sonne“ die vermeintliche Klimalüge in jeder Talkshow anprangern dürfen. „Die kalte Sonne. Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet“ ist ein Placebo. Selbst wenn es stimmen würde, dass die Erwärmungswirkung von CO2 überschätzt wurde, wird die Lebensweise, die den CO2-Überschuss produziert, in keiner Weise in Frage gestellt. Das Buch ist ein weiterer Freifahrtschein in die Sorglosigkeit, mit der wir uns auf ein höchst gefährliches Gleis begeben haben.
Also urinieren wir munter weiter in unser Wohnzimmer. Anstatt aber unsere Lebensweise in Frage zu stellen, diskutieren wir mit den Vahrenholts und Lünings lieber in aller Wissenschaftlichkeit über die Saugfähigkeit des Teppichs. Es würde mich nicht wundern, wenn das Schmelzen der Polarkappen eines Tages damit erklärt würde, dass nicht etwa der Klimawandel dafür verantwortlich ist, sondern der heiße Atem der Eisbären, die das intensive Herumtollen im Schnee einfach nicht lassen können. Allen Schönrednern und Beschwichtigern der Welt sei ein Zitat des Philosophen Hans Jonas ins Gedächtnis gerufen: „Der schlechten Prognose den Vorrang zu geben gegenüber der guten, ist verantwortungsbewusstes Handeln im Hinblick auf zukünftige Generationen.“