Alles muss sich ändern, aber nicht wirklich …
Bill Gates, Microsoft-Gründer und mit einem geschätzten Vermögen von 110 Milliarden US-Dollar einer der reichsten Menschen der Welt, sorgt sich um das Klima. Immerhin, das tut nicht jeder in seiner Preisklasse. Bill Gates sorgt sich nicht nur, er schlägt auch Lösungen vor, wie man dem drohenden Desaster noch erfolgreich begegnen kann. Was uns der Mann jedoch in seinem gerade erschienenem Buch „Wie wir die Klimakrise verhindern“ unterbreitet, belegt auf krasse Weise das Missverständnis zwischen Mensch und Natur, welches letztlich erst zu der Krise geführt hat. Gates setzt auf Fortschritt, Fortschritt, Fortschritt. Wie sieht er nun aus, sein Fortschritt? Die totale Elektrifizierung soll es sein. Autos werden in Zukunft ausschließlich mit Strom angetrieben, Wärmepumpen laufen mit Strom, selbst Wasserstoff, der weite Teile der Industrie auf Treibhausgas-Diät setzen kann, ließe sich aus elektrischer Energie erzeugen. Ein solcher „Elektroschock“, so Gates, würde die Emissionen auf Null senken.
Doch schnell wird deutlich, woher Gates diesen Strom beziehen will: aus Atomkraft. Dass er selbst mit seiner Firma Terra Power in Atomanlagen investiert, daraus macht er kein Hehl. Zehn Jahre nach Fukushima sind die Bedenken verschwunden, denn „es gehe nun darum, die Atomkraft zu verbessern, indem wir ihre Probleme eins nach dem anderen analysieren und uns daran machen, sie durch Innovationen zu lösen“.
Gates setzt aber nicht nur auf die friedliche Atomkraft, er glaubt auch an die segensreiche Wirkung des Geo-Engineering, also an die Eingriffe in die Wolkenbildung und damit in die Erdtemperatur. „Vielleicht kommt der Tag, da uns nichts anderes mehr übrig bleibt“, schreibt der Multimilliardär, „bereiten wir uns besser schon heute darauf vor.“
Die Süddeutsche Zeitung schreibt zu Gates fatalen Unbedenklichkeitsbescheinigungen folgendes: „Das Buch ist ein Streifzug durch die Probleme der Welt, und der rote Faden sind (groß-)technische Lösungen. Man kann Gates nicht vorwerfen, dass er nicht jedes Problem irgendwie angerissen hätte, von den Emissionen der Zementindustrie über den Fleischkonsum bis hin zur Entwaldung. Doch bleibt er fast überall nur an der Oberfläche. Alles muss sich ändern und kann doch bleiben, wie es ist: das letztlich ist Bill Gates‘ Verheißung. Erfüllen soll sie ein technischer Fortschritt, dessen Haken und Ösen er aber geflissentlich übergeht.“
In ihrer Antrittsrede als URP-Vorsitzende (United Regions of the Planet) sagt unsere Protagonisten Maeva aus der Maeva-Trilogie unter anderem folgendes: „Wie ist es möglich, dass alle zerstörerischen Handlungen, die wir erleben müssen, von den Verantwortlichen als kreative Taten gefeiert werden? Wir glauben ausschließlich an technische Lösungen. Warum ist das so? Weil unsere Gesellschaft dem Patriarchat gehorcht, dessen zentrale Werte Überlegenheit und Dominanz sind. Deshalb ist es außerordentlich wichtig, dass wir das weibliche Prinzip wieder zum Tragen bringen. Schauen wir auf die Natur. In den Kulturen der indigenen Völker gilt die kreative Kraft der Natur als feminin. Die Anerkennung dieser Kraft macht uns dem Leben gegenüber demütig und lässt uns erkennen, dass wir nicht sein Meister sind.“
https://www.sueddeutsche.de/politik/klimawandel-bill-gates-atomkraft-1.5219577
Bill Gates ist nicht der einzige Vertreter des Patriarchats, der glaubt, dass die Lösung ökologischer Probleme in erster Linie ein Fall für die Wissenschaft geworden ist. Die Hoffnungen ruhen auf neuen Wissenschaftszweigen wie der Bionik, dem Geo- Engineering oder der Evolutionstechnik. Aber mit allem, was Menschen bisher angefangen haben, sind sie in die Absurdität des Gegenteils geraten. Mit dem Versuch, die Äcker fruchtbarer zu machen, haben sie sie zu Tode gefoltert. Mit dem Versuch, sich vor Feinden zu schützen, sind sie so nahe wie möglich an den großen Weltbrand geraten. Selbst der Versuch zu heilen und zu helfen geriet immer mehr an die Grenzen der Unmenschlichkeit.
Unsere Aussichten, so könnte man angesichts der verheerenden Faktenlage meinen, sind alles andere als rosig. Es mag vielleicht aberwitzig klingen: aber vermutlich braucht es einen so abgrundtiefen Bodensatz an Enttäuschung, um eine wirkliche Bewusstseinsänderung herbei zu führen. Sie ist bereits greifbar. In den Herzen der Menschen sitzen nämlich nicht nur Wut und Enttäuschung, in Milliarden Herzen wächst etwas heran, was von unschätzbarem Wert ist: die Sehnsucht nach einer besseren Welt! Genau aus diesem Grunde ist es heute so wichtig, eine positive Perspektive zu bieten. Die Menschen müssen wissen, dass es genügend gesunde Alternativen gibt, um sich aus den Fängen einer erbarmungslosen Wachstumsgesellschaft zu befreien. Sobald sie verstehen, dass es ohne weiteres möglich ist, sich gegenüber den Kapitalinteressen zu emanzipieren, dass es möglich ist, eine Gemeinschaft nach eigenen Vorstellungen aufzubauen, um wieder in den Genuss von Kommunikation und Mitmenschlichkeit zu kommen, werden sie auch den Mut finden, etwas Neues zu wagen.
Der Equilibrismus bemüht sich seit Jahren, machbare Alternativen vorzustellen. Wir setzen zwar auch auf technischen Fortschritt, aber nur solange, wie dieser im Rahmen der Naturregeln bleibt. Geld allein ist nicht in der Lage, die Krise abzuwenden, in der wir uns befinden. Nur in Verbindung mit einer völlig neuen Idee ist eine wirkliche Veränderung möglich. Und diese Idee ist denkbar einfach: Wir müssen uns der Natur wieder anpassen, anstatt sie weiterhin ausbeuten und beherrschen zu wollen. Wir müssen mit ihr arbeiten und leben anstatt gegen sie, sonst haben wir keine Chance mehr. Es wäre wünschenswert, wenn die Medien in der hochbrisanten Situation, in der wie uns befinden, auch jenen Ideen nachspüren und Platz geben würden, die nicht in erster Linie der Gewinnmaximierung verpflichtet sind. Davon gibt es jede Menge, und zwar für alle Lebensbereiche. Sie werden größtenteils von kapitalen Interessen blockiert. Das muss sich dringend ändern. Bill Gates rumpelt mit seinen Vorschlägen doch nur wieder in längst ausgefahrenen Gleisen dahin. Und genau das ist es, was es heute nicht mehr braucht.