DER BAKTERIEN-FLÜSTERER
Shit happens. Davon kann Bernd Bieniek, Projektleiter der Hamburger Wasserwerke, ein Lied singen. Das Projekt, für das der Mann die Verantwortung trägt, findet im Norden der Hansestadt statt, genauer gesagt in Hamburg-Jenfeld und dort wiederum in einer Neubausiedlung, der man eines Tages attestieren wird, dass sie eine Vorreiterrolle in der Energiegewinnung gespielt hat. In den Wohnungen dieser Siedlung kommt der Strom zwar auch aus der Steckdose, er wird aber weder in Kohle- noch in Atomkraftwerken gewonnen, ebensowenig zaubern ihn alternative Energieträger herbei. In Hamburg-Jenfeld sind es die Bewohner selbst, die in Zusammenarbeit mit Millionen von Bakterien die Lichter angehen und die Waschmaschinen rotieren lassen.
Wie funktioniert diese fruchtbare Zusammenarbeit? Nun, sobald der Mensch seine Notdurft verrichtet hat, wird das sogenannte Schwarzwasser aus der Toilette von einem Vakuumsystem angesaugt und in zwei riesige Behälter transportiert, wo die Fäkalien dann ausgesondert und kräftig verrührt werden. Unterdessen macht sich ein spezieller Bakterienstamm an die Arbeit und produziert daraus Vollgase, die dann verbrannt werden und den Wohnungen Wärme und Elektrizität zuführen.
Was so einfach klingt ist aber durchaus kompliziert, denn die Kleinsttierchen müssen bei Laune gehalten werden. „Je besser es den Bakterien geht, umso mehr Gas produzieren sie,“ sagt Bernd Bieniek , der für ihre gute Stimmung zuständig ist. „Wir müssen sie hegen und pflegen. Neben dem Schwarzwasser bringen wir auch Reste aus Restaurants, Kantinen und Großküchen als zusätzliches Futter für die sie ein. Das Ganze muss auf eine bestimmte Temperatur gebracht und kräftig umgerührt werden und schon startet die Gasproduktion.“ Neben der richtigen Temperatur und dem ständigen Rühren muss noch das Mischungsverhältnis zwischen Fäkalien, Fetten und Fäkalbakterien stimmen, damit die Gasproduktion starten kann.
Normalerweise landen in Deutschland alle Abwässer gemeinsam in der Kanalisation. In Hamburg-Jenfeld ist das anders. Das Regenwasser fließt direkt in einen Teich zwischen den Häusern. Das Wasser aus Dusche und Waschmaschine, das sogenannte Grauwasser, wird gereinigt und wiederverwendet. Die wichtigste Komponente des Systems ist jedoch das Abwasser aus der Toilette.
„Wir könnten noch mehr Einwohner gebrauchen, die uns ihr Schwarzwasser zuführen“ sagt Bakterienflüsterer Bieniek, „dann würden wir richtig auf Volldampf gehen …“
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