Eine neue Taxi-Generation?
Ende Juni fand in Le Bourget nördlich von Paris die erste Ausgabe der weltgrößten Luftfahrtschau nach der Coronakrise statt. Als ich den Boeing-Pavillon betrat, waren zwar viele blaue Scheinwerfer, Leuchtwände und einige Werbefilme zu sehen, aber etwas ‚handfestes‘ war nicht dabei. Ein Boeing-Mitarbeiter konnte mir weiterhelfen:
Kommen Sie mit. Im Nachbargebäude haben wir etwas, das Sie interessieren wird. Das ist das erste elektrische autonom fliegende eVTOL Air Taxi der Welt mit vier Passagiersitzen. Start und Landung erfolgen senkrecht.
(eVTOL = electric vertical take-off and landing)
Frage an den mir empfohlenen Experten:
Hier steht Wisk. Ist das ein Tochterunternehmen von Boeing?
Wisk: Das ist eine spezielle amerikanische Konstruktion, aber ja, Wisk ist im Besitz von Boeing, arbeitet aber selbständig. Wir haben schon einige Erfahrung mit Air Taxis im Betrieb. Das ist unsere Generation 6 mit inzwischen über 1600 Testflügen.
Frage: Elektrisch heißt, da ist eine große Batterie eingebaut?
Wisk: Ja, die ist in 15 Minuten geladen und hat eine Reichweite von 90 Meilen (144 km). Dabei wird in einer Reisehöhe von 2500 bis 4000 Fuß (762 bis 1219 Meter) eine Geschwindigkeit von 110 bis 120 Knoten (204 bis 222 km/h) erreicht. Sehen Sie sich die Propeller an. Die vorderen sechs lassen sich herunter drehen und sorgen somit nach dem Start für den Vortrieb. Durch den elektrischen Antrieb ist unsere Maschine extrem leise.
Frage: Wann soll dieses Modell den regulären Flugbetrieb aufnehmen?
Wisk: Wir hoffen auf eine Genehmigung bis 2030 für die USA. In Europa wird es wegen des diverseren und auch komplizierteren Umfelds noch länger dauern.
Frage: Firmen wie Tesla haben beim autonomen Fahren ja noch einige Schwierigkeiten. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Wisk: Die FAA (Federal Aviation Administration) ist natürlich viel restriktiver als die Behörden für den Verkehr auf dem Boden. Autonomie heißt für uns nicht künstliche Intelligenz. Unsere Software wird mit Sensoren in der Maschine und am Boden kombiniert. Außerdem gibt es noch einen Multi-Flugzeug-Supervisor am Boden, der jeden Flug beaufsichtigen und bei Bedarf eingreifen kann. Es ist also eher eine Weiterentwicklung des bestehenden Vorgehens, bei dem schon sehr viele Vorgänge wie beim Autopiloten automatisiert sind. Durch die Ausschaltung weiterer menschlicher Fehlerquellen halten wir unser System für extrem sicher.
Frage: Was wird ein Flug kosten?
Wisk: Es wird minutenweise abgerechnet werden. Bei vier Personen an Bord würden wir hier bei einem Flug vom Charles de Gaulle Airport in die Innenstadt von Paris für jeden etwa 40 Euro veranschlagen. Das ist nicht mehr als ein normales Taxi kostet.
Frage: Und wie hoch ist der Preis für das Air Taxi selbst?
Wisk (nach einigem Zögern): Vorerst werden wir die Flüge selbst betreiben, aber später können wir die Maschinen auch an renommierte Fluggesellschaften abgeben.
Wenn Sie noch weitere Fragen haben, stehe ich für die Beantwortung gerne zur Verfügung.
Interview: Rudolf Prott