Anthony Rinaudo: Der Waldmacher
Im April 2022 startete der erste Dokumentarfilm von Volker Schlöndorff in den Kinos. Der Regisseur, der vor allem durch die oscarprämierte Verfilmung der „Blechtrommel“ bekannt wurde, war auf ein Thema gestoßen, das trotz seiner Bedeutung nur wenigen ein Begriff war:
Anthony Rinaudo, alternativer Nobelpreisträger von 2018, hatte eine Methode zur Wiederaufforstung von Wüstengebieten wiederentdeckt und weiterentwickelt. Sein Spitzname ‚Waldmacher‘ wurde auch zum Filmtitel.
Der gebürtige Australier ist Agrarwissenschaftler und Missionar und kam 1981 in den Niger. Nach mäßigem Erfolg mit den bekannten Aufforstungsmethoden in der Sahel-Zone bemerkte er, dass in den scheinbar toten Baumstümpfen der trockenen Region noch unterirdisches Leben vorhanden ist. Warum also nicht existierende Wurzelsysteme, diesen, wie er es nennt, ‚unterirdischen Wald‘ nutzen, statt umständlich und teuer selbst gezogene Bäume zu pflanzen? Die von ihm entwickelte bahnbrechende Technik FMNR (Farmer Managed Natural Regeneration) ist eine preiswerte Methode Armut und Hunger durch die resiliente Steigerung der Holz- und Nahrungsmittelproduktion zu bekämpfen und zusätzlich etwas für das Klima zu tun. Im Fall von FMNR bedeutet Resilienz Erholung und Widerstandsfähigkeit gegenüber Schocks wie Klimaextremen oder Wirtschaftscrashs.
Von 1983 bis 2018, als er mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet wurde, konnten mit dieser Methode 6 Millionen Hektar mit 240 Millionen Bäumen aufgeforstet werden. Das ist sogar auf Satellitenbildern zu sehen.
Zur Begründung des Preises hieß es
„ … um in großem Maßstab zu demonstrieren, wie Trockengebiete mit minimalen Kosten begrünt werden können, um die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen zu verbessern.“
Und so funktioniert FMNR:
Unter der Erde verborgene Wurzeln ehemals gerodeter Bäume oder bereits vorhandene Büsche werden genutzt, um neuen Bewuchs zu fördern. Auch die vermeintlichen Büsche waren oft Bäume, was Rinaudo an den Blattformen erkannte. Sie sprossen aus altem Wurzelwerk, das von Bäumen, die zurückgeschnitten worden waren, noch im Boden versteckt war. Von diesen Büschen gab es Millionen und Abermillionen. Sie werden nun vor äußeren Einflüssen geschützt, gepflegt und so beschnitten, dass sie wieder in die Höhe wachsen können. Bereits etwa 40 Bäume pro Hektar schützen dazwischen angebaute Feldfrüchte vor Wind und Sonne und verbessern die Bodenfruchtbarkeit durch Stickstoffbildung im Boden und durch die Verteilung organischen Materials (Blätter und Früchte). In einer kargen Landschaft ist erhöhte mikrobielle Aktivität eine Quelle für weiteres Leben. Vögel und Insekten kommen und hinterlassen organisches Material. Durch die Verschattung sinkt die Luft- und die Bodentemperatur. Das ist für das Wachstum von Feldfrüchten sehr wichtig, denn mit jedem Grad oberhalb von 35 Grad Celsius nimmt der Ernteertrag um zehn Prozent ab. Fünf Grad mehr reduzieren den ohnehin schon sehr geringen Ertrag um 50 Prozent. Mit der Auswahl der richtigen Exemplare, dem richtigen Beschnitt und Schutz können die Bauern diese Büsche und Stümpfe zu neuen Bäumen wachsen lassen. Bisher wurden die Büsche und austreibenden Bäume nie höher als einen Meter, denn immer zum Beginn der Regenzeit schnitten die Bauern sie ab und nutzten sie als rares Brennmaterial oder überließen sie ihren Ziegen. Für Menschen, die keine Rücklagen haben, sind diese Bäume jetzt eine mögliche Lebensgrundlage.
Dieser Wechsel in der Einstellung war der Schlüssel für Rinaudos erfolgreiche Arbeit. Seit 1999 arbeitet er für World Vision und will auch Menschen und Regierungen außerhalb Afrikas davon überzeugen, dass Wiederaufforstungen nicht schwer, teuer und hoch technisiert sein müssen. Das Überraschende ist in seinen Augen, dass die Methode sogar sehr einfach ist. Man braucht keine Raketenwissenschaft. Man muss nur mit der Natur arbeiten. Großflächige Wiederaufforstung geht schnell und kostet auch noch sehr wenig.
Viele zusätzliche Informationen gibt es auf
Trailer zum Film „Der Waldmacher“ von Volker Schlöndorf
https://www.zeroone.de/movies/waldmacher/
Autor: Rudolf Prott