Gemüsebeton auf der Speisekarte der Bauindustrie!
Jedes Kind weiß, dass Gemüse gesund ist. Ist es auch gesund für das Klima? Forscher der britischen Lancaster University haben sich bereits 2018 mit dem Thema befasst. Sie mixten Fasern aus Karotten- und Zuckerrübenabfällen in Beton, um zu sehen, ob sie ein stärkeres und umweltfreundlicheres Produkt herstellen können. Forschungsleiter Mohamed Saafi und sein Team fanden heraus, dass man die Betonstärke um 80 Prozent erhöhen könnte, indem man eine kleine Menge dieses neuen Materials verwendet. Das Hinzufügen dieser natürlichen Bestandteile verhindert Risse im Beton. Es bedeutet auch, dass weniger Zement benötigt wird, wodurch die globale Kohlendioxid-Emission gesenkt wird.
Allein in Deutschland fallen dadurch jedes Jahr etwa 20 Millionen Tonnen CO2 an. Weltweit sind es 2,8 Milliarden Tonnen CO2, die so entstehen. Nach Wasser ist Beton die am weitesten verbreitete Substanz der Welt. Die Herstellung von Zement, einem Schlüsselbestandteil von Beton, ist für etwa 8% der globalen Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Es geht darum, Kalkstein, Ton und andere kalk- und silikathaltige Mineralien in auf bis zu 1.450°C erhitzten Öfen zu Zementklinker (kleine, feste Klumpen) zu brennen, Typischerweise werden fossile Brennstoffe als Energiequelle verwendet und es werden Unmassen von CO2 produziert. Zermahlen ergeben diese Klinker schließlich den Zement.
In den nächsten 30 Jahren könnten sich die CO2-Emissionen sogar noch verdoppeln, wenn die Bautätigkeit sich weltweit so weiter entwickelt, wie Experten es erwarten. Die Reduzierung des Zementanteils in Beton ist daher ein wichtiges Ziel im Klimaschutz.
Vorläufige Ergebnisse zeigten, dass das Hinzufügen von etwa einem halben Kilogramm Karotten-Nanomaterial etwa 10 Kilogramm Zement pro Kubikmeter Beton einsparen wird. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Nanozellulose den Anteil des Calciumsilikathydrats erhöht, dem eigentlichen „Klebstoff“ im Beton. Das funktioniert so: Zement muss mit Wasser kombiniert werden, damit es an Sand und Kies oder Gesteinsplittern haftet und sie zusammenhält. Allerdings werden bei der üblichen Betonproduktion nicht alle Zementpartikel während des Prozesses mit Feuchtigkeit versorgt. „Die meisten von ihnen sitzen im Wesentlichen dort und tun nichts, was eine Verschwendung ist“, sagte Prof. Saafi. „Wenn wir diesen Hydratationsmechanismus verstärken können, wird seine Beton-Stärke deutlich zunehmen und daher können wir weniger Zement verbrauchen.“ Die möglichst vollständige Anlagerung von Wassermolekülen ist für die Leistung von Beton entscheidend und gleichzeitig bildet sich eine dichtere Mikrostruktur, die Risse im Beton verhindert und ihn so haltbarer macht. Der pflanzliche Zusatzstoff macht Beton nicht nur effizienter als andere Zusätze, sondern auch billiger und umweltfreundlicher, weil man nachwachsende Rohstoffe verwendet.
Forschung soll nun zeigen, inwieweit auch bestehende Betonstrukturen durch das Auftragen dünnen Pflanzenmaterials verstärkt werden können. Saafis Team geht davon aus, dass die Nanocelluloseflocken auch andere Materialien wie Kohlefasern übertreffen werden, unter anderem, weil die Nanocelluloseschichten die Betonteile flexibler machen könnten.
An der Purdue University in den USA wird seit einigen Jahren mit ähnlich vielversprechenden Ergebnissen mit Zellulosebeton experimentiert. Hier kommen aber Nanocellulosekristalle aus Holzfasern zum Einsatz.
Der schottische Kooperationspartner der Lancaster University (CelluComp) hingegen verwendet Zuckerrübenfleisch als Hauptquelle seines Materials Curran®, einem Abfallprodukt aus der Zuckerproduktion, das ansonsten hauptsächlich als Tierfutter verwendet wird. Frühere Experimente haben gezeigt, dass die mechanischen Eigenschaften von Beton durch den Zusatz von Nanozelluloseflocken erheblich verbessert werden. Überraschenderweise lieferte der „Beton-Gemüse-Verbundstoff“ sogar bessere Ergebnisse als Betonverbundstoffe mit viel teureren „Wunderprodukten“ wie Graphit- oder Kohlefasern. Die Lancaster University, die von der EU finanziell unterstützt wurde, untersuchte nun zusammen mit CelluComp in einem zweijährigen Forschungsprojekt, wie diese Verbesserung erreicht werden kann.
CelluComp geht auf die beiden Materialwissenschaftler Dr. David Hepworth und Dr. Eric Whale zurück, die bereits Anfang der 1990er Jahre fundierte Kenntnisse über Zellulosematerialien und eine Leidenschaft für Nachhaltigkeit kombinierten und auf die Suche nach einer Alternative zu Kohlenstofffasern gingen. Sie fanden schließlich, was sie suchten in Nano-Zelluloseplatten, die sie aus verschiedenen Wurzelgemüsen extrahierten. Sie tauften ihre Erfindung Curran® und gründeten CelluComp für ihre Verbreitung. Während das Material 2007 erstmals erfolgreich in einer Angelrute eingesetzt wurde, ist das Hauptanwendungsgebiet heute ein Zusatz für Beschichtungen und Lacke. Basierend auf der Fasertechnologie bieten diese Additive eine einzigartige Reihe von Eigenschaften. Es ist sehr effektiv, um Schlamm und Mikrorisse zu stoppen, verbessert die Waschresistenz und die Stärke des Films.
Es ermöglicht eine Reduzierung der Lösungsmittel um bis zu 90%, was zur Reduzierung bei Geruch und flüchtigen organischen Verbindungen führt. In umweltfreundlicheren wasserbasierten Innen- und Außenfarben, Industriebeschichtungen und Gipsmaterialien (einschließlich Stuck) werden Beimischungen des Fasermaterials zwischen 1 und 3 % empfohlen.
Es scheint, dass die Anwendungsgebiete weit über den Beton hinausgehen und Zellulosefasern nicht nur beim Bauen eine große Zukunft winkt. Natürliche Materialien beweisen wieder einmal ihre Überlegenheit. Professor Saafi lässt die Gedanken noch weiter in die Zukunft schweifen:
Die Anwendung von Druck auf eine Karotte erzeugt beispielsweise elektrische Energie, die ein kleines LED-Licht oder elektronische Geräte mit Strom versorgen könnte. Saafi und seine Kollegen fanden heraus, dass sie Beton herstellen könnten, der Strom produziert, wenn Karotten-Nanoplättchem zum Zement hinzugefügt werden. Beim Brückenbau verwendet könnte Strom erzeugt werden, wenn Autos darüber fahren oder Fußgänger Vibrationen auslösen. Man könnte den Strom aus dem Beton nutzen, um Straßenlaternen oder Sensoren zur Überwachung der Luftverschmutzung anzutreiben.
Der mit Beton erzeugte Strom könnte auch Einblick in die Gesundheit einer Struktur geben. Die erzeugte Spannung würde sich ändern, wenn z.B. Risse entstehen. Der Einbau eines Überwachungsgeräts, das die elektrische Leistung in einem Gebäude oder einer Brücke verfolgt, könnte daher helfen festzustellen, wann eine Struktur überprüft werden muss. Katastrophale Ausfälle wie bei der Carolabrücke in Dresden könnten vielleicht verhindert werden.
Autor: Rudolf Prott
Quellen:
Agenturmeldung aus 2018
Blog für Architekten und Ingenieure (Beitrag aus 2019)
https://www.allplan.com/de/blog/gemuesebeton/
aus dem EU Horizon Magazin
Beton – Wege zu einer besseren Klimabilanz
über Curran®
https://coatings.specialchem.com/selectors/tr-curran