Die brasilianische Umweltpolizei kämpft auf verlorenem Posten
Im Schatten von Corona steigt die Abholzung im Amazonasgebiet massiv an. Brasilien droht im Corona-Jahr ein Rekordkahlschlag, sagt die ehemalige IBAMA-Direktorin Suely Araújo, die von Präsident Bolsonaro 2018 gefeuert wurde. IBAMA ist die brasilianische Umweltpolizei, sie gehört zu den wenigen, die sich der Abholzung entgegen stellen. In der ARD-Sendung Weltspiegel waren deutsche Reporter mit den Umweltpolizisten auf der Suche nach Goldgräbern im Regenwald unterwegs. (https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/videos/brasilien-amazonas-corona-video-100.html). So stießen sie mitten im Dschungel auf schweres Gerät wie zum Beispiel einen Bagger, den sie kurz danach anzündeten. Die geflohenen Goldgräber hatten den Regenwald großflächig gerodet und den Boden dann auf der Suche nach Edelmetall durchpflügt. Auf einem der Bagger stand: „Wir Goldgräber sind keine Verbrecher!“ Das ist absurd angesichts der Landschaft, die sie in eine einzige matschige Kloake verwandelt hatten. Den Polizisten blieb nur, ihre Hinterlassenschaft vollständig zu vernichten. Dazu zählten nicht nur die Bagger, sondern auch die Generatoren und der Treibstoff, der neben einer illegalen Landebahn der Goldgräber-Mafia lagerte, die inmitten eines indigenen Schutzgebietes gebaut worden war. Der Kampf gegen die Mafia aber ist trotz einiger Erfolge verloren. Gerade mal sieben Umweltpolizisten kämpfen hier auf einer Fläche so groß wie Deutschland gegen die Verbrechersyndikate.
Was in Brasilien so traurige Realität geworden ist, hat Dirk C. Fleck bereits in FEUER AM FUSS aufgegriffen. Anlass war eine Meldung, die ihm während der Schreibarbeiten zu dem Roman erreicht hatte. In der Meldung wurde davon berichtet, wie sich ein keiner Urwald-Stamm gegen die Verbrecher zur Wehr setzte – mit überraschendem Ausgang. Hier die Passage, die davon berichtet:
„Der Verrat an Maeva und die tief empfundene Scham darüber hatte Cording der gewohnten Realität entrückt. Er war ein Hungernder geworden, er litt unter einem entsetzlichen Mangelzustand des ganzen Wesens, das von nichts anderem als von quälender Leere erfüllt war. Von dem Flehen, dass, wo nichts war, etwas sein möge. Dieses Fieber, dieses Elend, das ihn wach hielt, dieses Gefühl, dass ihm nun zeitlebens etwas vorenthalten wurde, machte ihn krank. Er suchte nach der Wahrheit hinter den Dingen und stand stets mit leeren Händen da. Er fühlte sich wie ein Kieselstein, der bei Erdarbeiten von einem Schaufelbagger vor sich hergeschoben wurde, nutz- und orientierungslos. Auf diese Weise war er aus Tahiti kommend im brasilianischen Regenwald gelandet, bei den Kaapor im Bundesstaat Maranhão. Der Stamm zählte nur 2000 Mitglieder, verfügte aber über ein bewaffnetes „Urwald-Heer“, mit dem er gegen illegale Holzfäller zu Felde zog. Cording selbst war Zeuge geworden, wie die Krieger ihre Feinde von den Sitzen der Planierraupen und aus den Führerhäusern der LKWs zerrten, sie verprügelten, fesselten und in den Urwald verschleppten, nicht ohne die Fahrzeuge zuvor in Brand gesteckt zu haben. Im Dorf wurden die Gefangenen ihrer Kleidung beraubt und von den Kindern und Frauen bespuckt und verhöhnt. Da die Behörde für Urbevölkerung, die Fundação do Índio, die die Kaapor mit ihrem Problem seit Jahren allein ließ, hatte der Stamm den Holzfällern kurzerhand den Krieg erklärt. Einen Krieg, den sie um eine erstaunliche Nuance zu bereichern wussten. Sie zwangen die geschundenen Holzfäller nämlich zu einem sogenannten „Friedenstrank“, sie zwangen ihre Gefangenen zu einer gemeinsamen Ayahuasca-Sitzung.
Der Ayahuasca-Tee wird aus den Fasern der Mariri-Liane und den Blättern des Rosenstrauchs Chacrona gewonnen, seine Herstellung ist kompliziert. So wie ein Kellermeister ein besonderes Zungenspitzengefühl entwickelt, so ist auch der Ayahusqueiro ein Meister der Zubereitung. Er ist es, der die Sitzungen leitet und die kollektive und individuelle Erfahrung lenkt, er ist es, der die Chamadas singt. Chamadas geben Auskunft über den Ursprung von Ayahuasca und über die Bedeutung seiner Wirkung. Intonation und Phrasierung bilden eine raffinierte Kunstform. Die Wirkung des Tees kann unberechenbar und heftig sein, bis zu dem Moment, da der Meister die erste Chamada anstimmt. Das ist der Augenblick, in dem Misstrauen in Vertrauen umschlägt. Und darum ging es den Kaapor in erster Linie. Allerdings wollte man seinen Gefangenen den Schrecken des „kleinen Todes“, den der halluzinogene Trank für Anfänger bereit hält, nicht ersparen.
Cording wurde damals gefragt, ob er der Zeremonie beiwohnen wolle. Er hatte abgelehnt, weil er sich der Erfahrung in seinem jämmerlichen Zustand nicht gewachsen fühlte. Und so wurde er Zeuge, wie den Holzfällern nach der Einnahme des Tees der Schrecken in die Glieder fuhr, wie sich ihre Gesichter vor Angst verzerrten, wie sie sich krümmten und um Gnade winselten, wie sie ziellos zu fliehen versuchten und sich doch nur in den Staub warfen, wie sie sich schließlich im Gesang des Ayahusqueiros aufrichteten, wie sich ihre Züge entspannten, wie ein kaum zu beschreibendes Licht die flackernden Augen zur Ruhe brachte, wie sie plötzlich reinzuhören schienen in eine Welt, die ihnen vorher verschlossen war, wie sie lachten und sich gegenseitig berührten, wie sie die Köpfe nach dem Gesang der Vögel ausrichteten oder die Blumen mit solcher Zärtlichkeit betrachteten, dass ihnen die Tränen kamen. Nach zehn Stunden, als die Wirkung des Tees allmählich nachließ und sie sich auf dem Dorfplatz erneut den Frauen und Kindern stellten, herrschte Frieden zwischen den illegalen Holzfällern und dem Stamm. Er dauerte nicht lange, denn am nächsten Morgen stürmte eine Privatarmee ins Dorf, steckte die Hütten in Brand und schoss auf alles, was in die Wälder zu fliehen versuchte. Wie Cording dieser Hölle entkommen konnte, blieb ihm bis heute ein Rätsel“.