Fridays for Future
Am 20. August 2019 verschickte die Plattform CAMPACT einen Aufruf der f-f-f-Bewegung mit dem Ziel, für den „großen Klimastreik“ am 20. September 2019 auch die ältere Generation zu mobilisieren. Ich erhielt also einen Brief (Rundmail) einer 18-jährigen Clara M. aus Berlin, den ich hier beantworten möchte:
Liebe Clara M. (und alle anderen f-f-f-Kids),
heute schreibt dir Volker Freystedt (68), ehem. 2. Vorsitzender des EQUILIBRISMUS e.V.
Du schreibst von deinem Frust nach über einem halben Jahr f-f-f-Streik gegen den Klimawandel.
Du schreibst, dass ihr Angst vor der Zukunft habt.
Du schreibst von eurer Empörung über die Regierung, die nichts tut, sondern nur redet.
Die keine Entscheidungen trifft.
Aber habt ihr der Regierung schon einmal gesagt, welche Entscheidungen sie treffen soll?
Wenn ihr euch einmal mit dieser Frage beschäftigen würdet, würde euch wahrscheinlich schnell klar werden, was die Regierung tun müsste, um den Klimawandel abzumildern:
Verbote erlassen! Das Wirtschaftswachstum verringern!
Doch was würde das für euch bedeuten?
Einige eurer Eltern würden ihren Job verlieren. Ihr selbst müsstet auf vieles verzichten, was euch heute selbstverständlich geworden ist.
Z.B. weniger herumreisen, z.B. seltener ins Internet gehen, z.B. seltener neue Smartphones oder Notebooks kaufen, z.B. weniger Fleisch essen.
Jedenfalls müsste die Regierung jede Menge unschöne Entscheidungen treffen, mit denen sie sich unbeliebt machen würde.
Doch wer ist „die Regierung“?
Sie ist gebildet auf Zeit, aus Parteien, die gerne bei der nächsten Wahl mehr Stimmen bekommen möchten als bei der letzten.
Und da machen sich unpopuläre Entscheidungen, also Entscheidungen, die von sehr wenigen Leuten verstanden und gutgeheißen werden, nicht besonders gut.
Außerdem: nach jeder Wahl, wenn es um das Erlassen von Gesetzen geht, benötigt die Regierung Fachverstand.
Doch welchen der Bürger, von denen sie gewählt wurde, soll sie fragen? Also nimmt sie gerne die (bereitwillig geleistete) Hilfe einschlägiger Interessenverbände an, die über ausgezeichnete Fachleute verfügen und juristisch fundierte Textvorlagen liefern können. Und diese Fachleute muss die Regierung nicht suchen, die kommen als Lobbyisten freiwillig zu ihr.
Woher ich diese Einsichten habe?
Ich habe über 20 Jahre für eine Umgestaltung unseres Wirtschaftssystems gekämpft, das auf Grund seiner Struktur ständig mehr Verlierer produziert und ohne eine Steigerung des Ressourcenverbrauchs nicht auskommt.
Meine NGO hat bereits existierende Alternativen aus Ökonomie, Ökologie und Politik zu einem sozioökologischen Wirtschaftsmodell vereint, das sich EQUILIBRISMUS (was mit Gleichgewicht zu tun hat) nennt und einen Weg abseits von Kommunismus und Kapitalismus aufzeigt.
Wir haben ein Sachbuch, viele Artikel, Vorträge und eine Romantrilogie (siehe „Tahiti Projekt“) auf den Weg gebracht.
Wir wollten ein Modellprojekt ins Leben rufen, mit dem die Funktionsweise unserer Ideen demonstriert werden könnte – aber nicht einmal so eine kleine Laborsituation möchte irgendjemand unterstützen!
Ich bin inzwischen überzeugt, dass wir erst dann zu einer drastischen Richtungskorrektur bereit sein werden, wenn wir den Karren voll an die Wand gefahren haben!
Aber ihr seid jung, ihr müsst noch Hoffnung haben (und habt noch Energie) – also streikt und demonstriert! Aber nehmt es mir nicht übel, wenn ich lieber zuhause bleibe …
Mit besten Grüßen
Volker Freystedt, EQUILIBRISMUS e.V.