Reine Utopie funktioniert nicht
„Wissen alleine ändert nichts, dazu bedarf es Emotion und Empathie“, sagt Dr. Elisabeth Hollerweger von der Universität Siegen. „Die Fiktion ist bestens geeignet, diese Werte zu vermitteln und nachhaltige Lebensweisen zu fördern.“ Bestes Beispiel sind die Equilibrismus-Romane von Dirk C. Fleck.
Hollerweger und ihre Kollegen von der Forschungsstelle Kulturökologie und Literaturdidaktik möchten die Bildung für nachhaltige Entwicklung auch im Deutschunterricht etablieren. Meist wird sie ausschließlich in naturwissenschaftlichen Fächern vermittelt. „Das ist fatal, wenn man die Umweltkrise als Kulturkrise betrachtet“, sagt Hollerweger. Mit ihrer Arbeit steht sie allerdings noch am Anfang, denn zunächst muss sich das entsprechende Bewusstsein einstellen. „Es ist teilweise schockierend, wie wenig Gedanken sich die zukünftigen Bildungsträger über gesellschaftlich relevante Themen machen. Genau dort muss ich ansetzen“, erklärt die Literaturwissenschaftlerin.
Roman als Transportmittel für nachhaltige Themen
Laut Hollerweger sind besonders fiktive Erzählungen bestens geeignet, um Menschen für Themen zu begeistern. Anders als beim Sachbuch schafft ein Roman Identifikationsfiguren und Gegenspieler, die den Leser stärker mit einbeziehen. „Ich finde es schade, wie wenig das Potential genutzt wird.“ Im Rahmen ihrer Arbeit wird Hollerweger auch auf die Werke von Fleck aufmerksam.
Die Vorteile eines Romans haben Eric Bihl und seine Mitstreiter vom Equilibrismus e. V. ebenso erkannt. Sie wollten ihre Vision von einer modernen Gesellschaft im Einklang mit der Natur emotional spürbar machen – in der Fiktion. Mit Fleck war ein geeigneter Autor schnell gefunden. Er musste nur noch von der positiven Vision überzeugt werden. Fleck selbst war zu diesem Zeitpunkt für seine düsteren Zukunftsszenarien bekannt, die er beispielsweise in seinem Roman „GO! Die Ökodiktatur“ zeichnete.
„Flecks 180-Grad-Wendung finde ich nicht nur erstaunlich, sondern vor allem mutig. Besonders, da er sich zuvor aus den Diskursen zurückgezogen hatte“, sagt Hollerweger. Dystopien wie „GO!“ könnten zwar den Leser aufrütteln, hinterlassen ihn jedoch in der Regel handlungsunfähig. „Beim Tahiti-Projekt ist Fleck eine gute Mischung geglückt: Auf der einen Seite ist das globale dystopische Element vorhanden, aber auf Tahiti werden glaubwürdige Alternativen aufgezeigt. Fleck weiß die literarischen Möglichkeiten bestens zu nutzen.“
Lob für Roman und Konzept
Flecks Vorteil, auf dem realen Konzept des Equilibrismus und bereits heute vorhandenen sozio-ökologischen Alternativen aufbauen zu können, wird hier deutlich. So motiviert er seine Leser dazu, sich weiter mit den Themen zu beschäftigen. Laut Hollerweger ist die reine Utopie dafür weniger geeignet, weil sie vom Großteil der Bevölkerung als unglaubwürdig eingestuft wird. „Das Konzept des Equilibrismus ist in meinen Augen ein handfester Alternativentwurf.“
Neben Flecks Werken und dem Equilibrismus hat sich Hollerweger bei der Virtuellen Akademie für Nachhaltigkeit mit weiteren Fiktionen intensiv beschäftigt. Die komplette Veranstaltung ist für alle frei zugänglich.
Foto: Logo der Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit von VA bne / Wikimedia (Lizenz: CC BY 3.0)