Der Held und das Wetter
Wie stellen sich Schriftsteller etwas Unsichtbares und nicht Greifbares wie den Klimawandel vor, der global stattfindet und unser Leben möglicherweise erst in Zukunft beeinflussen wird? Deutsche Klimawandelromane nehmen sich seit der Jahrtausendwende zunehmend dieser Herausforderung an und hinterfragen kritisch die Rolle des Menschen in der Klimakrise.
Abstrakte Klimamodelle und wissenschaftliche Expertendiskurse prägen bislang unser Verständnis des Klimawandels. Als Akteure finden wir uns innerhalb dieser Szenarien meist nur schwer wieder. Ästhetische und kulturelle Deutungsformen, die persönliche und gesellschaftliche Auswirkungen einer klimatisch veränderten Zukunft aufzeigen, gewinnen erst in jüngster Zeit an Bedeutung.
Auch deutsche Autoren widmen sich seit einigen Jahren vermehrt diesem Thema. Der Klimawandel tritt in der gängigen deutschsprachigen Literatur der letzten Jahre als Hintergrundschauplatz für die eigentliche Handlung, als Ursache für eine größere Katastrophe, oder auch als wichtiges Thema für die einzelnen Charaktere in Erscheinung. Gemeinsam ist den unterschiedlichsten Klimaromanen eine ethische Dimension: Die Bücher hinterfragen, wie weit wir gehen können und dürfen im neuen, von menschlichen Aktivitäten geprägten Erdzeitalter des Anthropozäns (Paul J. Crutzen). Dabei wird der Mensch ganz unterschiedlich stark verantwortlich gemacht.
Die Natur schlägt zurück
Frank Schätzings Der Schwarm (2004) ist der wohl bekannteste deutsche Ökothriller, der sich unter anderem auch der Klimawandelthematik widmet. Das Buch beschreibt die Bestrafung der Menschheit für ihre Vergehen an der Umwelt und insbesondere die Zerstörung der Ozeane. Die Natur schlägt mit Tsunamis, Untersee-Erdrutschen und aggressiven Attacken diverser Meerestiere zurück – ausgelöst durch die Yrr, eine intelligente einzellige maritime Lebensform.
Für die Protagonisten in Der Schwarm scheint es zunächst keinen Weg zu geben, die Yrr von der Auslöschung der gesamten Menschheit abzuhalten. Doch schließlich gelingt es ihnen, mit den Yrr zu kommunizieren. Nachdem die Protagonisten versprechen, in Zukunft im Einklang mit der Natur zu leben, kann das Schlimmste verhindert werden. In diesem Sinn spiegelt Schätzings Buch in Ansätzen die sogenannte Gaia-These des britischen Wissenschaftlers James Lovelocks wider, in der die Erde als ein selbst-organisiertes dynamisches System verstanden wird, das im Sinne des Selbsterhalts und der eigenen Balance auch gegen die Menschen agieren kann und wird. Der Thriller endet aber mit der Hoffnung, dass die Menschheit doch noch zu einem Umdenken bewegt werden kann.
Zentralmotiv Verschwörung
Die Verschwörung ist ein prägendes Motiv in der Klimawandelliteratur. Ein prominentes Beispiel aus dem englischsprachigen Raum ist Michael Crichtons Welt in Angst (2004), das den Klimawandel als einen von Umweltaktivisten erfundenen Betrug darstellt und die Menschheit somit von ihrer Schuld freispricht. Aber auch deutsche Klimawandelbücher wie Nele Neuhaus Wer Wind sät (2011) oder Sven Böttchers Thriller Prophezeiung (2011) greifen das Motiv der Verschwörung auf. Neuhaus Krimi ignoriert die Ernsthaftigkeit des Klimawandels und beschränkt sich darauf, die Profitgier des Markts für Erneuerbare Energien zu kritisieren.
Auch in Böttchers Thriller geht es um die finanziellen Aspekte des Klimawandels. Im Roman wittert der Leiter eines großen Klimainstituts und Großinvestor eines Windparks eine Chance, um seinen größten Konkurrenten, einen Photovoltaik-Produzenten in China, auszuschalten. Mithilfe einer exakten Computerprognose will er beweisen, dass Millionen von Menschen aufgrund des Klimawandels sterben werden. China soll dabei als größtem CO2-Verursacher die Schuld zugesprochen werden. Jedoch treten die vorhergesagten dramatischen Wetterereignisse nicht ein.
Etwas nuancierter als Neuhaus Buch beleuchtet Böttchers Klimathriller die Klimaforschung kritisch. Er zeigt auf, dass die Menschen zwar Verursacher des Klimawandels sind, aber nicht pauschal verurteilt werden dürfen.
Elegie
Im Klimawandelroman Eis Tau (2011) von Ilija Trojanow wird die Menschheit ganz explizit für den Klimawandel verantwortlich gemacht. Diesmal ist der Ankläger jedoch einer von ihnen: Zeno Hintermeier, Protagonist des Romans, ist der Überzeugung, dass die Menschheit alles vernichten würde, was sich auf die Seite der Natur stellt. Als Glaziologe und Expeditionsleiter auf Kreuzfahrten in der Antarktis wird er zum Kronzeugen der Umweltzerstörung, die mit dem touristisch genutzten Fortschritt einhergeht: Die Antarktis, einst einsamer Kontinent der Entdecker und Mutigen, kann auf einmal mit Hilfe moderner Schiffahrtstechnik sogar von Rentnern erobert werden.
In Eis Tau dient Zenos elegisches Trauern über das Schmelzen der Pole nicht nur dazu, der unbequemen Wahrheit stärkeren Ausdruck zu verleihen: Es bildet den Ausgangspunkt einer allgemeiner gefassten Kritik an der menschlichen Ignoranz gegenüber dem Klimawandel, deren zerstörerische Kraft insbesondere von den Touristen an Bord des Kreuzfahrtschiffs verkörpert wird. Zeno verurteilt dies durch einen Akt der Selbstjustiz: Er stürzt sich von Bord und überlässt somit die Touristen ihrem Schicksal.
Quelle: https://www.goethe.de/de/kul/ges/20368911.html
Antonia Mehnert
Goethe Institut