Von der Alternativlosigkeit zu den Alternativen
Ja, es stimmt: Dirk C. Fleck schreibt am dritten Equilibrismus-Roman. Die Story: 2035 blühen weltweit Öko-Regionen auf, die allerdings mit den Auswirkungen des Kollapses der industriellen Welt zu kämpfen haben. Auch die Heldin aus Teil 2, Maeva, soll wieder eine tragende Rolle spielen.
Jens Brehl: Warum ein dritter Roman?
Dirk C. Fleck: Die Maeva-Trilogie war von Anfang an als eine Art Treppe in ein höheres Bewusstsein gedacht. Als „MAEVA!“ (Taschenbuch-Titel: „Das Südsee-Virus“) fertig war, hatte ich bereits die Idee für eine Fortsetzung. Deswegen habe ich am Ende des Romans einen Übergang ermöglicht. Mir war klar, dass sich eine über drei Bücher erzählte Geschichte bestens dafür eignet, um einen so großen Gesellschaftsentwurf wie den Equilibrismus angemessen darzulegen. Mit drei Büchern kann ich als Autor Themen umfassender behandeln und Entwicklungen über längere Zeiträume begleiten.
Jens Brehl: Im ersten Buch „Das Tahiti-Projekt“ ist der polynesischen Insel die vollständige sozio-ökologische Wende gelungen. Im Folgeroman „Das Südsee-Virus“ lösten sich Regionen von Staatsgebilden und wollten dem Beispiel Tahitis folgen. Was ist aus diesen Öko-Regionen geworden und wie sieht die Welt 2035 aus?
Dirk C. Fleck: In etwas mehr als zwanzig Jahren wird der sichere Zusammenbruch der Industriegesellschaft so gut wie abgeschlossen sein. Im zweiten Roman war er zwar schon spürbar, aber er war noch ziemlich am Anfang. Zwei Dinge stehen nun im Mittelpunkt: Einerseits muss ich erzählen, unter welch schrecklichen Bedingungen ein Großteil der Menschen gezwungen ist zu leben. Etwa 65 Prozent der Weltbevölkerung wird in unregierbaren Mega-Citys leben, in denen sich Anarchie und Chaos breit machen. Längst besiegt geglaubte Seuchen greifen wieder um sich. Das bereits heute deutlich erkennbare Protestpotential lässt sich im dritten Roman nicht mehr kontrollieren. Die andere Seite der Medaille sind die Öko-Regionen als Hoffnungsträger für eine moderne Gesellschaft im Einklang mit der Natur. An der Talsohle des Kollapses ist es einem neuen Denken eher möglich, sich Bahn zu brechen. Nun hat auch der letzte Mensch erkannt, dass es höchste Zeit ist umzusteuern und beispielsweise die im Konzept des Equilibrismus vereinten sozio-ökologischen Alternativen umzusetzen. Wenn du ganz unten bist, bleibt dir gar nichts anderes übrig, als von der Alternativlosigkeit zu den Alternativen überzugehen.
Jens Brehl: Mit welchen Konflikten sind speziell die Öko-Regionen im dritten Buch konfrontiert?
Dirk C. Fleck: Jede von ihnen lebt nach eigenen Regeln, auch wenn sie die fünf Grundsätze der United Regions of the Pacific (URP) akzeptieren. Je nach den örtlichen Gegebenheiten und Bedürfnissen werden die einzelnen sozio-ökologischen Alternativen angepasst. Die Einwohner erinnern sich an die eigenen Ressourcen, ihre kulturellen Wurzeln und an die damit verbundenen sozialen Chancen. Man darf sich nicht jede Öko-Region als Paradies vorstellen, denn in manchen gelten harte Gesetze. Beispielsweise darf in einer von ihnen nicht jede Frau schwanger werden. Gesunde und aufblühende Biotope laufen zudem Gefahr, von verzweifelten Hunger- und Armutsflüchtlingen überrannt zu werden. Daher sind die Regionen gezwungen, sich entgegen ihrem ursprünglichen Geist abzuschotten, weil sie nicht alle Menschen aufnehmen und ernähren können. Hier bieten Sicherheitsfirmen mit ihren Privatarmeen ihre Dienste an. Das Buch wird auf der einen Seite von Katastrophen dominiert, auf der anderen Seite lässt es den Leser durch die vielen positiven Beispiele auf eine bessere Welt hoffen.
Jens Brehl: Nach der Lektüre von „Das Südsee-Virus“ wollen wahrscheinlich alle Leser als erstes wissen, was aus der Heldin Maeva geworden ist.
Dirk C. Fleck: Maeva gilt offiziell als verschollen oder tot, dennoch wird sie im dritten Band in einer gewissen Form präsent sein. Lasst euch überraschen!
Im zweiten Teil des Interviews spricht Dirk Fleck über die Utopie als Ausweg aus der Depression. Und über eine hart erkämpfte Selbstdisziplin.