Achtung, Achtung: Bettina Wulff hat NICHT angeschafft (außer jetzt mit ihrem Buch)
Gibt es in der Republik eine Zeitung, einen Sender, denen das sensationelle Bekenntnis von Bettina Wulff, dass sie früher nicht als Prostituierte gearbeitet hat, keinen Aufmacher wert ist? Wie eine Herde blökender Schafe latschen unsere Medien hinter der Bild-Zeitung her, die das „Bekennerbuch“ der Gattin des geschassten Bundespräsidenten Christian Wulff unisono auf die Bestsellerlisten schreiben. Nach dem Motto: Ist es nicht herrlich, dass wir keine anderen Probleme haben?
Allmählich geht mir die Luft aus. Ich habe das Gefühl, als würde jemand den Stöpsel gezogen haben und alle Energie fließt in den Orkus. Während mein Buch „Die vierte Macht“, das unter anderem genau dieses Medienverhalten analysiert, von den Medien bisher wie Gift gemieden wird, reicht ein nichtssagendes Dementi der ehemaligen First Lady aus, um die Titelseiten und Kommentarspalten zu füllen.
Die ersten wenigen Kritiken zur „Vierten Macht“ sind enttäuschend. Anstatt sich mit dem brisanten Thema und den Aussagen meiner Gesprächspartner zu beschäftigen, zieht es ein Großteil der Kritiker vor, sich am Klappentext des Buches zu reiben, wo 25 Gespräche mit deutschen Spitzenjournalisten in Aussicht gestellt werden. Für die Kritiker ist es offensichtlich interessanter, sich zu fragen, wer der im Buch vertretenden Journalisten dieses Prädikat verdient und wer nicht. Immerhin finden die meisten „Die vierte Macht“ interessant. Warum, das wird wiederum verschwiegen.
Es ist ein einziges Trauerspiel. Plötzlich beginne ich zu begreifen, dass die Medien sich, entgegen meiner Annahme, dem Thema gegenüber total verweigern könnten. Verantwortung der Medien in Krisenzeiten? Man pinkelt sich eben nicht gerne selbst ans Bein. Zudem ist man wohl der Meinung, dass ein Buch, in dem ein Mitglied der eigenen Redaktion porträtiert und befragt wurde, nicht besprochen werden darf. Das könnte ja den Anschein von Eitelkeit erwecken. Wenn dem so ist, fallen alle großen deutschen Magazine, Zeitungen und Sender für eine Besprechung aus. Das wäre eine Katastrophe. Denn ohne Rezensionen in den großen Zeitungen oder Sendern ist heute kein Titel mehr zu verkaufen.
Mit „Palmers Krieg“ (1992), „GO! Die Ökodiktatur“ (1993), dem „Tahiti-Projekt (2009), „Maeva!“ (2011) und der „Vierten Macht“ (2012) habe ich in den letzten zwanzig Jahren fünf Bücher vorgelegt, die auf die unterschiedlichste Weise eine gesellschaftspolitische Debatte befördern sollten, die vor dem Hintergrund einer sich permanent verschlechternden wirtschaftlichen und ökologischen Situation meiner Meinung nach mehr als notwendig ist.
Aber ich will nicht jammern. Warten wir noch vier Wochen, dann sehen wir weiter. Ab Oktober aber, wenn die Buchmesse in Frankfurt beginnt, wird „Die vierte Macht“ von den nachrückenden Neuerscheinungen erdrückt, dann ist Sense. Dann muss und werde ich mir überlegen, ob ich überhaupt noch einmal in die Diskussion eingreife oder ob es nicht besser ist, den Griffel für immer wegzulegen, um mich in Zukunft nur noch der Lektüre jener Bücher zuzuwenden, die bisher ungelesen in meiner Bibliothek schlummern.