Niue: Eine weitere Insel der Hoffnung
Ende Februar dieses Jahres brach Equilibrismus-Mitarbeiter Andreas Grün für eine einwöchige Recherchereise nach Niue auf. Könnte der unabhängige Inselstaat im Südpazifik die Heimat eines Modellprojekts werden? Vieles spricht dafür, wie Andreas berichtet:
„Welcome on the rock“, begrüßte mich Marie, die Assistant Managerin meines Hotels, bei meiner Ankunft am Flughafen. Verdutzt brachte ich ein „Wie bitte?“ hervor. Mit meiner etwas unbeholfenen Antwort gab ich zu verstehen, dass ich Niue das erste Mal besuchte. Der unabhängige Inselstaat ist in etwa 262 Quadratkilometer groß (zum Vergleich: Frankfurt am Main hat 248 Quadratkilometer) und liegt ungefähr drei Flugstunden oder 2.400 Kilometer nordöstlich von Neuseeland, mit dem Niue politisch in freier Assoziation steht. Marie erklärte mir bereitwillig, dass es sich bei der Insel um eines der höchsten gehobenen Korallenatolle der Erde handele – und selbst die Neuseeländer würden „Niue“ nicht richtig aussprechen. Daher habe sich „the rock“ eingebürgert. In den nächsten Tagen sollte ich noch mehr interessante Details in Erfahrung bringen.
Obwohl Niue keine bedeutende Rolle innerhalb des Südsee-Tourismus spielt, bestreiten fast ein Drittel der etwa 1.300 Einwohner damit ihren Lebensunterhalt. Fluch und Segen zugleich ist die Abgeschiedenheit mitten im Pazifischen Ozean. Es existiert keine nennenswerte Produktion, Rohstoffe sind oftmals Mangelware, ebenso Arbeitsplätze. Von einer Kreislaufwirtschaft ist man weit entfernt: Das Entsorgen von Abfall aller Art stellt ein großes Problem dar. Beispielsweise werden ausgeschlachtete Schrottautos der Witterung überlassen, denn ein Übersee-Transport wäre schlicht zu teuer. Strom wird nahezu ausschließlich aus Diesel gewonnen, der natürlich importiert werden muss. Demnach kann es nicht verwundern, dass jährlich bis zu zwei Prozent der Einwohner auswandern. Besonders nach dem verheerenden Wirbelsturm Heta im Januar 2004 kehrten viele Einheimische Niue den Rücken, denn hunderte von ihnen verloren alles, was sie besaßen. Doch es gibt Grund zur Hoffnung.
Die Verschuldung vieler Staaten sowie die exorbitant steigenden Rohstoff-, Energie- und Transportkosten haben die Regierung von Niue wachgerüttelt. Ein langsames Umdenken hat begonnen. Eine Chance könnte ein Equilibrismus-Modellprojekt sein. Für Niue sprechen der überschaubare Wirtschaftsraum, die relativ gute Erreichbarkeit der Insel und deren politischen Unabhängigkeit. Durch sie könnte sich der Inselstaat eigenständig für eine vollständige ökologische Wende aussprechen. Der wichtigste Schritt für Niue dürfte eine autarke und vor allem regenerative Energieerzeugung sein. Damit wäre die größte Abhängigkeit beendet und es würde möglich, die weiteren Lebensgrundlagen Nahrung, Behausung, Kleidung und Mobilität im Einklang mit der Natur zu erschaffen.
Für Herbst 2012 ist eine weitere Reise geplant, um den Equilibrismus bei Bevölkerung und Regierung vorzustellen. Erste Kontakte mit Premierminister Toke Talagi und Staatssekretär Richard Hipa sind bereits geknüpft. Auf Wunsch könnte dann auch schon ein gemeinsamer Fahrplan für den Start des Modellprojekts aufgestellt werden. Noch stehen wir aber bei Niue ganz am Anfang.
Auf der französisch-polynesischen Insel Rapa Iti haben sich dagegen die höchsten politischen Entscheidungsgremien – Rat der Weisen, Hüter der Erde und Bürgermeister Tuanainai Narii – bereits » für eine vollständige ökologische Wende ausgesprochen. Niue und Rapa Iti bieten ihre individuellen Vorteile und Herausforderungen und würden sich als ökologische Schaufenster für eine Welt im Gleichgewicht bestens ergänzen.