Vom nachhaltigen Wirtschaften
Ob wir die Natur ausbeuten oder uns selbst – der dafür ursächliche Zwang zu ständigem Wachstum entspringt dem Circulus vitiosus unseres Geldsystems. Doch wo steht geschrieben, dass wir das von uns geschaffene System nicht auch abändern können, zumal es zu anderen Zeiten und in anderen Ländern auch andere Formen gab und gibt?
Warum gibt ausgerechnet ein Ökonom, der zum so genannten »Rat der Wirtschaftsweisen« gehört, die Notwendigkeit dringender Reformen nicht zu, wenn er selbst feststellt, dass »Kapital immer neues Kapital hervorbringen muss«, weil angeblich »jede Wirtschaftsordnung, die auf Geld aufgebaut ist, Menschen braucht, die bereit sind, ihr Geld zu verleihen«, wofür sie dann »natürlich« Zinsen erwarten? Gustav A. Horn unterschlägt gleich zwei Dinge: zum einen, dass es dann auch immer jemanden geben muss, der sich verschuldet und der sich aus diesem Schuldverhältnis nur befreien kann, indem er eine Mehrleistung erbringt. Ist das Geld mit Zinsen zurückgezahlt, muss das Spiel weitergehen, jedes Mal allerdings mit höherem Einsatz. Vermögen und Verschuldung schaukeln sich so in immer schwindelerregendere Höhen. Das kann nicht funktionieren. Zum anderen unterdrückt Horn jegliche Frage im Keim, ob es nicht auch eine andere Möglichkeit gäbe, das Geld vor dem Horten zu bewahren und es im Kreislauf zu halten – mit dem Ziel einer Welt im ökonomischen Gleichgewicht.
+ Die Lösung heißt Umlaufsicherung und entspricht in etwa einer Standgebühr bei Transportmitteln. Wenn ich einen Container der Bahn nicht zurückgebe, fallen Gebühren an, auch wenn ich ihn gar nicht benutze. Das sieht jeder ein. Aber auch Geld ist in einem gewissen Sinn ein Transportmittel, das der Staat zur Verfügung stellt, um den Austausch von Waren und Dienstleistungen zu ermöglichen. Wer es seiner Funktion entzieht, sollte nicht mit Belohnung gelockt, sondern mit Gebühren abgeschreckt werden.
+ Betroffen von der Umlaufsicherungsgebühr wäre nur die Bargeldhortung (der berühmte »Sparstrumpf« oder die »schwarzen Kassen«). Wer hingegen Geld zum Sparen auf ein Bankkonto legt, von wo es verliehen werden kann, entzieht es nicht dem Umlauf.
+ Die Zinsen würden, wenn auch das Geld Marktgesetzen unterliegt und nicht mehr mit »Streik« drohen kann, gegen null tendieren (von einer Bearbeitungsgebühr und der Risikoprämie abgesehen).
+ Außerdem wäre es neben der Vermeidung der Umlaufsicherungsgebühr auch für den Geldhalter sicherer, sein Geld bei einer Bank zu wissen als in den heimischen vier Wänden.
+ Erst wenn davon ausgegangen werden kann, dass das ausgegebene Bargeld auch im Umlauf ist, kann die Zentralbank die Geldmenge steuern.
+ Eine Folge: Der Begriff Inflation könnte langsam in Vergessenheit geraten. Konkret hieße dies: Wer 100 000 Euro »fürs Alter« anspart, bekommt nach 20 oder 30 Jahren den gleichen Gegenwert für sein Geld, den er zu Beginn erhalten hätte. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Sein Geld lagert bei der Bank also nicht nur sicher, sondern auch wertbeständig. Das Märchen von früher, dass Geld nebenher auch noch arbeiten oder sich vermehren könne, glaubt ein paar Jahre nach Einführung der Umlaufsicherung kein Kind mehr.
+ Da der Geldstreik nicht mehr durch Belohnung (Zinsen) verhindert werden muss, besteht auch keine Veranlassung mehr zu Unternehmensfinanzierungen über Aktiengesellschaften oder über die Börse. Den Druck, zweistellige Renditen für die Shareholder und auf Kosten der Beschäftigten zu erwirtschaften, gibt es nicht mehr. Unternehmen finanzieren sich ausschließlich über Bankkredite, deren Zinsen wegen des hohen Angebots an Kapital marktgerecht gegen null tendieren. Die Kreditkosten bestehen letztlich nur noch aus einer Bearbeitungsgebühr und der Risikoprämie.
+ Steuern sollen auf den Verbrauch nicht vermehrbarer Güter erhoben werden. Dadurch macht es einen erheblichen Unterschied bei den Kosten und den Preisen, ob Güter weite Wege zurücklegen, und ob ein hoher Anteil nicht erneuerbarer Ressourcen verarbeitet wird.
+ Das heute so aufwändige System der Steuerkontrolle könnte durch das vereinfachte System mit nur noch wenigen Kriterien und sehr wenigen Ausnahmefällen auf ein Minimum an Gesetzen und Verwaltungsaufwand reduziert werden. Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Korruption und Zollbetrug würden die Grundlage entzogen.
+ Damit entfällt auch der ständige Zwang zur Größe, zum Fusionieren und zum Globalisieren. Kleine und regional wirtschaftende Unternehmen haben gegen multinationale Konzerne bessere Chancen. Kartelle gehören der Vergangenheit an. Arbeitsplätze werden dezentralisiert, das Wachstum der Ballungsräume beendet. Arbeit und Kapital stehen sich endlich in Augenhöhe gegenüber.
+ Um allen Menschen ihren menschenrechtlichen Anspruch auf »ihren« Anteil an der Erde zuteil werden zu lassen und gleichzeitig die Lebensgrundlagen für spätere Generationen zu sichern, müssen eine Bodenrente sowie eine Öko-Umlage erhoben und rückverteilt werden werden, wenn immer mehr Regionen sich der nachhaltigen Wirtschaftsordnung anschließen, obsolet. An ihre Stelle tritt ein internationales Ausgleichssystem ähnlich dem, das John Maynard Keynes mit dem Bancor-System vorschwebte. Bei diesem sollte eine »International Clearing Union« (ICU) dafür sorgen, dass jeder Mitgliedsstaat die ihm zugeteilte Maximalverschuldung gegenüber der Union einhält, und ihn bei Schwierigkeiten beraten. Gleichzeitig dürfen Mitgliedsstaaten keine über ihrer Quote liegenden Guthaben aufweisen.
+ Ein über die rein ökonomischen Kriterien von Keynes hinausgehendes internationales Ausgleichssystem hat der Equilibrismus in der Form der »Internationalen Treuhand« anzubieten
Aus dem Sachbuch „Equilibrismus – Neue Konzepte statt Reformen für eine Welt im Gleichgewicht“ von Volker Freystedt und Eric Bihl. Signum-Verlag, 2005.
Sinnlich erfahrbar wird das neue sozio-ökologische Gesellschaftsmodell des Equilibrismus in den Romanen „Das Tahiti-Projekt“ und „Maeva!“, die beide unter www.equilibrismus.de zu beziehen sind.