Ökodiktatur? Wir brocken sie unseren Kindern gerade ein!
Es reicht. Die Verweigerungshaltung der Medien, einem Buch wie MAEVA!, das trotz einer radikalen Bestandsaufnahme jede Menge Lösungsvorschläge aus dem globalen Desaster aufzeigt, die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken, ist nicht nur im höchsten Sinne fahrlässig, sondern hat mich zurück geworfen auf den Stand von 1995, als ich in meiner Verzweiflung einer Ökodiktatur das Wort redete. Hier einige weitere Sätze aus meinem Vortrag „Die ignorierte Katastrophe“:
Wir befinden uns inmitten eines selbst verschuldeten ökologischen Desasters. Es bedarf wenig Phantasie, um sich vorzustellen, dass wir es mit politischen Verhältnissen zu tun bekommen, die man getrost als diktatorisch bezeichnen darf. Auf der Strecke blieben sämtliche demokratischen und humanistischen Prinzipien, derer wir uns so selbstgefällig rühmen. Diesen Preis haben nicht wir als die Schuldigen, sondern unsere Nachkommen zu bezahlen. Ihre Ökodiktatur brocken wir ihnen gerade ein. Ein solches System ist nicht mit herkömmlichen moralischen Maßstäben zu messen. Moral taugt nichts angesichts des kollektiven Untergangs. An dieser Stelle wird Politik zum Notwehrreflex.
Mitte dieses Jahrhunderts werden die Industrieländer nicht einmal zwanzig Prozent der Weltbevölkerung stellen. Sie werden sich einer Flut von Umwelt- und Armutsflüchtlingen gegenübersehen, die man sich nur mit rigiden, heute kaum vorstellbaren Maßnahmen vom Halse halten kann. Eine solche Gesellschaft wird auch ohne Ökodiktatur kaum noch Demokratie und Menschenwürde bereithalten.
An dieser Stelle möchte ich das World Watch Institute zitieren, das gewiss nicht in Verdacht steht, ein Haufen alternativer Spinner oder Revoluzzer zu sein: „Unsere demokratischen Muster werden nicht ausreichen, um mit der ökologischen Herausforderung fertig zu werden.“ Punkt. Und UN-Generalsekretär Boutros-Ghali fand in einem kaum beachteten Dossier bereits im August 1993 zu der Erkenntnis: „Globale Umweltaspekte könnten sogar wichtiger sein, als die Souveränität eines Landes.“ Grünhelme statt Blauhelme? Durchaus möglich, weil von oberster Stelle längst angedacht.
Was müsste nach den Versäumnissen der Vergangenheit politisch dringend umgesetzt werden, wenn wir unsere Welt einigermaßen lebenswert erhalten wollen?
* Als erstes ein absolutes Verbot des Individualverkehrs
* Ein Bau- und Reiseverbot
* Rigide Geburtenkontrolle (Ein-Kind-Familie)
* Umstrukturierung der Landwirtschaft
* Rationierung von Strom und Wasser
* Sofortiger Ausstieg aus der Kernenergie. Umstellung auf Sonnen-, Wind- und andere Energieträger
* Verbot von Genmanipulationen
Die Grundgesetze einer Ökodiktatur müssten aber auch moralische Leitlinien setzen. Es muss folgendes klar werden:
1. Die Welt gehört keiner bestimmten Gattung, sie gehört sich selbst.
2. In dieser Welt nimmt der Mensch als Art den ihm zukommenden Platz ein: Den Platz eines Raubtieres dritter oder vierter ökologischer Art.
3. Die Fähigkeit des Menschen, in die ökologischen Kreisläufe einzugreifen, ändert an diesem Status nichts.
4. Die Leitvorstellungen der politischen Ökonomie müssen den Leitvorstellungen der Ökologie untergeordnet werden. Es gilt, mit den Machtstrukturen zu brechen, die der ungezügelte Kapitalismus bis zur Selbstvernichtung aufrechterhalten wird.
5. Diese Politik ist nicht inhuman, sondern sichert den einzigen noch möglichen Humanismus.
Eine solche Magna Charta der Ökologie unterschiede sich grundsätzlich von dem, was wir bisher unter Umweltschutz verstehen. Es geht darum, die Brille des alten Umweltschutzes, der eigentlich nur Menschenschutz bedeutet, abzunehmen und durch die Brille der ganzheitlichen Ökologie zu ersetzen. Sie erst lässt uns erkennen, dass die Umwelt nichts ist, was außerhalb von uns existiert, sondern dass wir Teil einer einzigen und einzigartigen Welt sind. Es ist schon ein erbärmliches Zeugnis, wenn man das den Menschen in Erinnerung bringen muss. Weit vor unserer angeblich so „aufgeklärten“ Zeit haben ganze Kulturen in dem Bewusstsein gelebt, dass alles Seiende beseelt ist. Die Pueblo-Indianer hatten nicht einmal ein Wort für Religion. Das ganze Leben war Religion für sie. Sie glaubten, wer Tiere und Pflanzen nicht achtet, verliert auch die Achtung vor den Menschen. So ist es ja auch gekommen…
Wenn ich also in meiner grenzenlosen Naivität einer Ökodiktatur das Wort rede, so deshalb, weil ich den Traum nicht aufgeben möchte, dass wir eines Tages zurückfinden werden zu einem Verständnis, das nicht nur uns selbst, sondern auch unserer Mitwelt nützt. Sein oder Nichtsein ist zur aktuellen Alternative der Menschheit geworden. Gelingt es ihr nicht, innerhalb kürzester Zeit zur Besinnung zu kommen und radikal umzusteuern, ob freiwillig oder mit Gewalt, wird sie überhaupt keine Chance mehr haben, die Folgen ihres kurzfristigen Konsumrausches zu überleben. Die eigentliche Frage lautet daher: Kollektiver Selbstmord oder geistige Erneuerung.
Es wird wohl auf den kollektiven Selbstmord hinauslaufen. Also vergessen wir das Gerede von einer Ökodiktatur. Eine Spezies, die sich derartig in Gefahr gebracht hat, muss schon von selbst darauf kommen, dass sie die notwendige Operation auch wollen muss, wenn sie am Leben hängt.
So, jetzt fahre ich mit MAEVA! nach Gummersbach und Juist, um wieder einmal den entgegengesetzten Weg zu predigen. Wie sagt meine Protagonistin in dem Buch:
Ihr seht also, liebe Freunde, wir müssen von Grund auf neu denken und überdenken. Wir dürfen uns nicht länger mit systemimmanenten Reparaturarbeiten begnügen, die sich bisher doch nur als Selbstbetrug herausgestellt haben. Es geht darum, unsere gesamte Lebensweise neu zu definieren. Eine Herkulesaufgabe, ich weiß …