Was mache ich hier eigentlich?
Sonntagmorgen. Die Bäume wurden über Nacht kurz nass gemacht, aber zu ihren Wurzeln ist der dringend benötigte Regen nicht gedrungen. Gelegentlich schlurft jemand mit einer Brötchentüte unter meinem Balkon vorbei, den schnüffelnden Hund im Schlepptau.
Ich lege Nico auf: „The Fairest Of The Seasons“. Auf Facebook wurde ich die letzten 24 Stunden mit Nachrichten zur geplanten Protestaktion gegen die Wiedereinführung der Kontrollen an der dänisch-deutschen Grenze bombardiert. Der obligate Besuch bei amazon zeigt mir, dass MAEVA! im gleichen Zeitraum im hauseigenen Ranking weit zurückgefallen ist, ganz im Gegensatz zum „Tahiti-Projekt“, das sich wieder auf die Liste der hundert meistverkauften Bücher gesetzt hat. Zurück auf Facebook stelle ich fest, dass mir gerade jemand seine geharnischte Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen auf die Profilseite gepostet hat. Das Grundeinkommen, lese ich, sei ein Placebo für Staatskriecher! „Brauchen wir einen Staat zum malochen? Nein! Wir würden ohne Staat eine nachhaltige Wirtschaft konzipieren und leben. Warum nicht ein wenig nachbarschaftliche Autonomie? Weg von diesem Erpresser- und Verblödungsparteienmoloch! Warum nicht als vernünftiges Ziel eine solidarische, selbstverwaltete, direktdemokratische Gesellschaft?“ Tja, warum eigentlich nicht? Lass ich mal unkommentiert stehen. Ich kann nur hoffen, dass der Absender weiß, auf welcher Plattform er seine Wutthesen zur Diskussion stellt: Facebook, das sollte uns inzwischen klar geworden sein, funktioniert als perfektes Demokratie-Placebo (Gefällt mir!). Ich spiele da auch gerne mit, man gönnt sich ja sonst nichts …
Kennt jemand das Gefühl, über Nacht von Träumen heimgesucht worden zu sein, die sich selbst im anschließenden Wachzustand nicht verflüchtigen wollen? Gestern Nacht träumte ich von meiner anstehenden Lesung in Berlin. Ich stand vor einem interessierten Publikum und alles, was mir über die Lippen kam, war die Frage: „Was mache ich hier eigentlich?“