Interview mit der Presse
Am 23. Mai 1977 gab der amerikanische Präsident Jimmy Carter Wissenschaftlern und Regierungsstellen den Auftrag, eine Studie zur Umweltproblematik zu erstellen. Der Bericht sollte auf der Basis von absehbaren Entwicklungstrends die politische Planungsgrundlage für eine ökologisch orientiertere Politik liefern. Die Studie mit dem Titel „Global 2000“ kommt in ihrem Vorwort zu folgendem Ergebnis:
„Die Schlussfolgerungen deuten für die Zeit bis zum Jahre 2000 auf ein Potential globaler Probleme von alarmierendem Ausmaß. Wenn die Trends verändert und die Probleme verringert werden sollen, werden weltweit mutige und entschlossene neue Initiativen erforderlich sein. Die Fähigkeit der Erde, Leben zu ermöglichen, muss geschützt und wiederhergestellt werden. Grundlegende natürliche Ressourcen – Agrarland, Fischgründe, Wälder, mineralische Rohstoffe, Energie, Luft und Wasser – müssen erhalten und der Umgang mit ihnen verbessert werden. Eine weltweite Veränderung der Politik ist erforderlich, bevor die Möglichkeiten für wirkungsvolles Handeln immer stärker eingeschränkt werden. Angesichts der Dringlichkeit, Reichweite und Komplexität der vor uns liegenden Herausforderungen bleiben die jetzt auf der ganzen Welt in Gang gekommenen Anstrengungen allerdings weit hinter dem zuück, was erforderlich ist. Es muss eine neue Ära der globalen Zusammenarbeit und der gegenseitigen Verpflichtung beginnen, wie sie in der Geschichte ohne Beispiel ist.“
Sämtliche Fakten sind nachprüfbar. Aber angesichts der niederschmetternden Botschaften macht unsere Psyche dicht, unsere Aufnahmefähigkeit und unser Empörungspotential ist schneller erschöpft, als es der Sache dienlich ist. Die Wahrheit ist den Menschen eben nicht mehr zumutbar, wie die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann noch meinte. Wir alle sind in individuellen Geschichten verstrickt, und es ist nicht einfach, sich dort herauszunehmen Selbst wenn dies gelänge, wären wir doch nur mit unserer persönlichen Ohnmacht konfrontiert. So nimmt es nicht Wunder, dass die 15 Prozent wohlhabenden Konsumenten, welche 85 Prozent des Welteinkommen einstreichen, auch Weltmeister im Verdrängen geworden sind. Die Psychologie wird das Schicksal der Erde in Zukunft aber ebenso mitbestimmen, wie Wissenschaft und Politik. Als erstes gilt es daher, die Verleugnung der Ökokatastrophe zu überwinden. Dies betrifft jeden einzelnen von uns. Besonders jedoch jene politischen und unternehmerischen Führungskräfte, die mit ihrer Macht die globale Tagesordnung bestimmen und ein Interesse am Erhalt des Status Quo haben.
Was kann, was muss geschehen, damit der selbstmörderische Mechanismus der Gier gestoppt wird? Ist er überhaupt zu stoppen? Nicht einmal die Medien mögen sich für die Wahrheit ins Feuer legen. Das Mediengeschäft ist eben in erster Linie ein Geschäft, es hat wie jedes andere mit Marktgesetzen zu tun. Und der Markt braucht nichts dringlicher als die Illusion, dass sich alles schon irgendwie richten wird. Ich sage nicht, dass die Medien die Katastrophe verschweigen, aber da die Umstände nach Konsequenzen verlangen, die wir nicht bereit sind zu leisten, gerät die Horrormeldung zur Marginalie, wird dem Tod der Erde weniger Beachtung geschenkt als überzogenen Ministergehältern oder der Familienangelegenheit eines Tennisspielers. Im knallharten Konkurrenzkampf um Marktanteile sind die Medien zu einem Bestandteil der Unterhaltungsindustrie mutiert, ein gesellschaftliches Korrektiv sind sie schon lange nicht mehr.
Aus einem Vortrag, den ich im Jahre 1995 an mehreren Universitäten gehalten habe. Es hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert. Was mich besonders bestürzt, ist die Tatsache, dass der Bewusstseinsstand in den klassischen Medien, die als treibende Kraft der Aufklärung unverzichtbar sind, regelrecht eingefroren zu sein scheint. Wer neu denkt und überdenkt, wer alternative, positive, nicht systemimmanente Konzepte vorlegt, wie sie beispielsweise im Tahiti-Projekt oder MAEVA! zu finden sind, wird schlicht mit Missachtung bestraft. Diese Erfahrung hat mich auf eine neue Buchidee gebracht. Ich werde noch in diesem Jahr 24 Chefredakteure des Fernsehens und der Printmedien danach befragen, wie ernst sie es mit ihrer Verantwortung vor dem Hintergrund eines sich anbahnenden Ökozids nehmen. Der Titel steht auch schon fest: „Interview mit der Presse“.